Seit gut 300 Tagen ist das food und Wein Angbeot von Amazon jetzt in Deutschland online. Der Markplatz startete am 1. Juli 2010.
„Amazon.de startet Lebensmittel-Onlineshop mit der größten Auswahl Deutschlands“ hieß es damals in der Presseerklärung der Amazon – Zentrale „… über 35.000 Produkte finden Kunden in 25 Kategorien …. Täglich wird die Produktauswahl erweitert. Zum Start des neuen Onlineshops gibt es vier Spezialitäten-Shops: Tee und Kaffee, Bio und Fairtrade, Mediterrane Küche und Wein.“ Stand heute ist man laut Lebensmittelzeitung (LZ 17/2011) zwar bei 100.000 Artikeln angekommen, aber „was im Sommer 2010 als Sensation galt, wird zehn Monate später in der Food-Branche eher belächelt“ so die LZ.
Die Topseller im Lebensmittelbereich seien Nescafé Dolce Gusto und Jacobs Tassimo Kapseln. Kaum einer der Amazon Food-Partner mache im Monat mehr als 100.000 Euro – im letzten Dezember sei der Top-Anbieter auf gerade mal 250.000 gekommen sein, weiss die LZ. Das sind gemessen an den Erwartungen nur „Peanuts„, wird der Verkäufer eines Süßwarenherstellers zitiert.
Wie sieht es beim Wein aus?
Hat es Amazon verstanden sich als Weinversender zu etablieren?
Ruft man die Kategorie Wein auf und läßt nach „Topsellern“ sortieren, ist die Nummer 1 das Spanien-Entdecker-Paket 2011 von wein&vinos (6 Flaschen gemischt für 59 Euro) , daß auch auf den Beilegern in den Amazon-Buch-Lieferungen beworben wird. Es folgen weitere der zur Zeit bei den Direktmarketern so beliebten gemischten Kartons – auf Platz 11 begegnet uns aber auch der Chateau Migraine, der Dernier Cru von der Domaine Scharlatan in edler Holzkiste für 14,95 Euro die Flasche.
Unter den insgesamt 117 Wein-Anbietern kann man die Erzeuger an einer Hand abzählen. Es tummeln sich die üblichen Verdächtigen, sprich die Versender. Das Angebot Stand heute (08.05.11) umfaßt 14.404 Positionen, davon Rot 6.765, Weiss 4.427 und Rosé 506 Artikel. Auch Spezialitäten werden angeboten: es finden sich 305 Bio-Weine, davon 99 aus dem Hause Peter Riegel – auch 10 koschere Weine sind erhältlich.
Nach dem Start im letzten Jahr hat man von den Anbietern nicht mehr viel gehört – offizielle Zahlen zu Aufträgen und Umsätzen gibt es nicht. Ein Anhaltspunkt kann die Anzahl der Bewertungen der einzelnen Anbieter sein: Amazon-Kunden werden in der Regel nach jedem Kauf aufgefordert, eine Bewertung über den Lieferanten abzugeben. Amazon ist da recht hartnäckig und faßt bei den Kunden, wenn es sein muss auch öfter, per email nach. Trotzdem geben sicher nicht alle Besteller eine Bewertung ab.
Hier einige Zahlen zu den Bewertungen der Top-Seller. Angegeben sind jeweils die Anzahl der Bewertungen aus den letzten 365 und den letzten 30 Tagen.
wein&vinos 2.484 gesamt / 560 letzte 30 Tage, gourmondo 3.501 / 256, Natur.com 1.300 / 116, vinexsus 553 / 41, Jacques‘ 42 / 4 , HAWESKO 89 / 5, Mövenpick 27 / 5, Genusssreich.de 27 / 3, froodies 613 / 39, ebrosia 82 / 4, Brogsitter 12 / 1, Delinat 13 / 0, Ahrweiler Winzer 2 / 0. Bei Gourmondo, froodies und Natur.com sind wohl nicht nur Wein-Bestellungen bewertet.
Die Zahlen sprechen für sich – das große Geschäft dürfte hier zur Zeit noch nicht laufen. Die LZ zitiert in ihrem Bericht einen selbstständigen EDEKA-Kaufmann aus dem Münsterland, der gerade bei Amazon eingestiegen ist: „Zur Zeit sind das 99% Wirbel und 1% Umsatz – aber das wird sich entwickeln!“ Unbenommen bietet Amazon gerade kleinen und unbekannten Anbietern eine Plattform um sich bekannter zu machen, aber von einem Selbstläufer scheint das Wein-Geschäft noch weit entfernt zu sein.
Die großen Supermarkt-Ketten denken zur zeit über ganz andere Online-Projekte nach. Einige gehen gezielt mit Spezielanbietern aus der Online-Szene zusammen: TEGUT mit Gourmondo oder Tengelmann mit Otto Gourmet. Ansonsten schaut man nach Großbritannien und Frankreich. Im Großraum London hat Tesco ein Liefersystem für Food aufgebaut und in Frankreich testen mehrere große Ketten neuartige Abhol-Zentren, in die online georderten Frischeprodukte fix und fertig eingepackt auf den Kunden warten. Inwieweit so etwas auf Deutschland übertragbar ist, bleibt bei unser ungleich größeren Handelsdichte und der Rolle als Nahversorger, in die die Discounter hineingewachsen sind, abzuwarten.
10. Mai 2011 um 08:41
Als Nischenhändler (Fokus Grüner Veltliner), der seit Juli 2010 mitdabei ist, kann ich soviel sagen. Die Kosten werden hereingespielt, großer Bringer ist es noch nicht, da v.a. die 15% Marge auf die Gesamtkosten (inkl. Versand) recht hoch ist.
Bezgl. der Bewertungen ist es so, dass wir die triggern müssen. Mir ist nicht bekannt, das Amazon das automatisch macht (ausser mit Produkten, die direkt von Amazon vertrieben werden, was ja bei Wein dzt. ausgeschlossen wird).
LG Thomas Burg
PS: an der Stelle eine Danke für die interessanten Beiträge.
10. Mai 2011 um 11:42
@ Thomas n. Burg Vielen Dank für den Hinweis! Bei Amazon Marketplace heißt es zum Thema Bewertungen:“Viele Käufer bewerten erst, nachdem sie von Amazon.de Marketplace nach 30 Tagen nach Abschluss der Transaktion eine Erinnerungs- E-Mail erhalten.“ Deshalb gehe ich davon aus, daß es nach erfolgreicher Bestellung automatisch in den Bewertungsprozeß geht.
14. Juli 2011 um 11:08
15% Marge???
Amazon zieht effektiv 15% vom Brutto und weist keine Umsatzsteuer aus, also zieht sich Amazon auch von der vom Händler abzuführenen USt nochmals 15%.
Also effektiv 18,3% vom hundert. Das kann keiner langfristig durchhalten, dazu müßte er ja erstmal über 35% auf seinen Netto EK kalkulieren.
14. Juli 2011 um 11:46
Wir sehen das auch in erster Linie als Marketing-Channel und versuchen die Käufer zu uns rüberzuholen. Dies wird allerdings duch Amazon’s Politik – man darf/soll Website und E-Mail in der Kunenkommunikation nicht erwähnen – erschwert.
14. Juli 2011 um 12:21
@Thomas bei den Konditionen kann man das auch nur unter „Marketing“ verbuchen – richtiger Spaß sieht anders aus!