42% der Weintrinker interessieren sich für Weine mit weniger Alkohol. Diese Zahl machte endgültig kler, daß das „Lower Alcohol Wine Forum“ dringend notwendig war. Die WSTA (Wine and Spirit Trade Association), der Wein und Spirituosen-Handels Verband in UK hatte am 1. Oktober Erzeuger und Händler zu einem ganztägigen Forum eingeladen. Über 140 Teilnehmer waren der Einladung gefolgt. Neben vielen Verantwortlichen aus den Chefetagen des britischen Wein- und Spirituosen-Handels waren auch einige ausländische Erzeuger vertreten. Aus Deutschland war die Exportleitung einer großen Kellerei angereist.
Die Zahl von 42 Prozent überrascht zunächst. Sie ist in der letzten Zeit in Großbritannien ständig gewachsen. Auch in Deutschland berichten Händler, daß Kunden gezielt nach dem Alkoholgehalt von Weinen fragen. Dan Jago, Category Director von Tesco hatte eine einleuchtende Erklärung für das steigende Interesse: durch die staatlichen Anti-Alkohol-Kampagnen wird vielen Verbrauchern erst klar, daß Wein relativ viel Alkohol enthält. Jago geht deshalb davon aus, daß die Zahlen noch weiter steigen werden, da zukünftig noch mehr Verbrauchern diese Problematik bewußt wird. In Deutschland stehen wir erst am Anfang der Anti-Alkohol-Kampagnen. Wenn Jagos These stimmt, wird auch bei uns das Interesse sprunghaft steigen.
Tesco-Untersuchungen haben zudem ergeben, daß die UK Weinfreunde zunehmend die Lust an bulligen, alkoholreichen australischen Blockbustern verlieren und Interesse an europäischen Herkünften finden. Diese seien eher von Frucht als von Körper geprägt und hätten auch weniger Alkohol.
Tesco hatte in diesem Sommer sehr erfolgreich die alkoholreduzierten Weine der “Plume” Serie der Pugibets aus Südfrankreich mit nur 9% Alkohol vorgestellt und sich im Vorfeld in dem Dickicht gesetzlicher Bestimmungen verfangen. Jerry Beadles, Geschäftsführer der WSTA wies auf dringenden Handlungsbedarf auf nationaler und europäischer Ebene hin: es gibt für „Lower Alcohol“ Weine keine ausreichende gesetzliche Definition. Mit den gelteneden Bestimmungen ist es fast unmöglich, zum Besipiel alkoholreduzierte Weine griffig zu bewerben.
Die Produkte verständlich zu bewerben, sei Grundvoraussetzung für den Erfolg beim Verbraucher, stellte Amanda Walker von der PLB Group fest. PLB gehört nicht nur zu den größten Importeuren in UK, sondern ist gleichzeitig auch Marketing-Dienstleister. Ein neue PLB Studie sagt großes Potenzial für alkoholärmere Weine vorher. Voraussetzung ist allerdings: sie müssen den Verbraucher-Geschmack treffen und positiv positioniert werden.
Für Deutsche Weine könnte sich eine interessante neue Perspektive ergeben: während sich aus Übersee, Frankreich, Italien und Spanien nur wenige Weine unter 10%vol auf dem UK-Markt finden, liegen 50% der deutschen Weine in diesem Bereich. Gastro-Lieferant Mattew Clarke hat bei etwa 20% seiner Kunden die Bereitschaft festgestellt, mit deutschen Herkünften „lower Alcohol“ Weine zu testen.
Abschließend stellte David Stevens von TFC Wines, einem Spezialisten für Wein- und Getränkeforschung und -Entwicklung aus Kalifornien unter der Überschrift „the road to Damascus“ die technische Seite von „lower Alcohol“ Weinen vor. Jedes der bisher erprobten Vefahren (Früher Ernten, Verdünnung, Gärungs-Unterbrechung, Membran-Filtration, Vakuum Destillation oder Spinning Cone) hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Die ideale Technik scheint es noch nicht zu geben.
Hoffnung wird auf neue Hefen gesetzt, die weniger alkoholstark sind. In der Vergangenheit ist leider in die Richtung effizienterer Hefen geforscht worden, sodaß jetzt viel Geld und Zeit notwendig sein wird, um neue Hefen zu entwickeln. Stevens rief dazu auf, die Entwicklung leichterer Wein-Stile als önologische Herausforderung zu verstehen. Wichtig sei, alle Prozesse vom Weinbau bis zum fertigen Produkt neu zu überdenken. Weine aus reifem Lesegut hätten sich bisher als die beste Variante gezeigt, es scheine wohl auf die richtige Technologie anzukommen. Bei all dem dürfe man den Verbraucher nicht aus dem Auge zu verlieren: er sei gerade dabei eine neue Einstellung zum Genuß und zum Wein zu finden.
Vielen Dank an Frances Horder, Competition Director von IWSC London, die von der Konferenz berichtete. Wer Interesse an weiteren Informationen oder den Folien der Vorträge hat, sollte mir eine kurze mail schicken (michael.pleitgen@email.de) oder mich anrufen (030 650 762 65)
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20. Oktober 2009 um 23:46
Die Frage nach Weinen mit wenig Alkohol ist auch hier bei den Kunden eine häufige. Oft steht sie dabei so im Vordergrund, daß der restliche Inhalt der Flasche gar nicht mehr zu interessieren scheint.
1. November 2009 um 23:18
Den idealen Prozess gibt es. Die Vinifizierung einer mit 74 ° Oechsle physiologisch reifen Gutedel-Traube praktizieren wir auf natürliche Art und erreichen 10 % vol. alc, sowie eine lebendige endogene Kohlensäure mit bis zu 1,6 gr. / l.
Ein von neun Weinmachern praktiziertes Verfahren kommt als Grüner Markgräfler
auf den Markt.
Nennen wir es “ nature alc „
14. Februar 2012 um 19:04
Dass gelegentliche Weintrinker, die einen eher niedrigeren Alkoholgehalt ihres Weines bevorzugen, nicht alleine sind und von den Weinherstellern und -vertrieben berücksichtigt werden sollen, ist gut zu lesen. Etwas ernüchternd ist hierbei jedoch wiederum anzumerken, dass – trotz der offensichtlich vorhandenen Nachfrage – im Großteil des deutschen Wein-führenden Handels die meisten und prominentesten Weine über 10, ja sogar über 12 Vol.-% liegen.
Das ist aufgrund der zwar überraschend hohen, trotzdem relativ geringeren und nicht zuletzt unauffälligeren Nachfrage nachvollziehbar, zieht aber die Frage mit sich, ob sich in naher Zukunft etwas an diesem Umstand ändern könnte, ebenso in welchem Umfang und welcher Qualität dies dann geschehe.
Im Vergleiche mit einer Zeit vor etwa 30 Jahren sind Weine heute zwar mit einem viel größeren Sortiment und nicht zuletzt auch in Supermarktketten sehr gut vertreten, hingegen hat sich der durchschnittliche Alkoholgehalt der Weine über die Jahre hinweg erhöht.
Alkohol wird von manchen Menschen nicht nur aus gesundheitlichen Aspekten vermieden, auch der Geschmack eines Weines ‘leidet’ bei zu viel Alkohol, so wie eine ungenügende Lagerung oder der (direkte oder indirekte) Zusatz geschmacksverändernder Substanzen die Qualität eines Weines mindern können.
Ein allenfalls durchschnittlich informierter und interessierter Weintrinker – was auf die meisten zutreffen dürfte – steht hier eher vor der redewendlichen Qual der Wahl, sich diesen Umständen in jedem Fall anzupassen oder auf die wenigen beim Alkoholgehalt passenden Weine zu beschränken, welche wie gesagt nach wie vor sehr in der Minderzahl sind.
Verkäufer können meiner Erfahrung nach nur in den seltensten Fällen konkret weiterhelfen, da auch sie nicht jeden Wein (jeden Käse, jedes Obst) vor dem Verkauf kosten und sich bei Empfehlungen somit meistens entweder auf eigene/private Erfahrung stützen oder nach den Informationen richten, die ihnen durch die Lieferanten zur Verfügung stehen und somit noch am Rande des Allgemeinwissens befinden.
Welcher Wein zu welchem Gericht passt, ist eben sehr individuell und lässt sich so gut wie nie vorherbestimmen, zumal sich die entsprechenden Angaben auf Flaschenetiketten immer sehr ähneln – ebenso kann ein Wein mit 2% mehr Alkohol besser schmecken als ein anderer, er kann aber auch so ‘alkoholisch’ schmecken, dass man ihn gar nicht trinken mag, was sich in der Regel nur durch eigene Erfahrung feststellen lässt, so dass man Weine ähnlicher Herkunft aussagekräftig zu unterscheiden vermag.
Mag mir die Herkunft und die genaue Zusammensetzung eines Weines schließlich nicht so wichtig erscheinen, so bevorzuge ich persönlich doch eher geschmacklich milde, fruchtig-süßliche Weine ohne deutlich zu empfindendes Aroma irgendwelcher Zusätze und mit nicht mehr als 10% alc. – meine geschmacklichen Favoriten liegen im Bereich von 7,5 bis 9,5%, bewegen sich also im Mittel um den vorgeschriebenen Mindestgehalt von 8,5%. Auch Federweißer oder Cidre trinke ich zu entsprechender Gelegenheit sehr gerne, obwohl sie per Definition nicht zu den Weinen gehören – vor allem ‘trockene’ Weine haben jedoch (geschmacklich als auch chemisch nachvollziehbar) oft einen höheren Alkoholgehalt, weshalb ich bisher noch keinen ausgesprochen trockenen Wein getrunken habe, der mir wirklich gefiel.
Behalte ich dabei im Sinn, dass Alkohol nicht der Hauptgrund für mich sein kann, Wein zu trinken, so würde ich eine etwas größere Auswahl an ‘lower alcohol wine’ (respektive die Reduzierung des Alkoholgehaltes bereits etablierter Weinsorten) (jeder Art oder Geschmacksrichtung) sehr begrüßen.