Deutsche Blogger bloggen deutsch. Das ist eine banale Tatsache mit Folgen: deutsche Blogger haben kaum die Chance, international bekannt zu werden. Aber nicht nur das: als Deutscher hat man per se die Aussicht auf weniger Follower, Freunde, Likes, Plusse und Klout-Punkte. Man mag von all diesen Sachen halten, was man will – Fakt ist: die Netzwerke steuern die Präsenz in ihren Kanälen nach diesen Kriterien. Die gleiche Arbeit, der gleiche Einsatz – aber weniger Reichweite, weil man in der „falschen“ Sprache unterwegs ist.
Deutsche Weinblogger bloggen in Deutsch. Dass deutsche Wein-Blogs aber insgesamt so wenig Resonnanz haben, liegt sicher nicht nur an der Sprache, sondern auch an den Themen.
Hype um die Weinkönigin
Während jemand wie Jim Budd die Affäre um Campo/Parker so richtig zum Laufen bringt, man bei Jamie Goode die internationale Weinwelt surfen kann und dabei jede Menge Hintergrundinfos bekommt, scheint sich die deutsche Blog-Szene um die Wahl der nächsten Weinkönigin zu drehen oder den Jahreszeiten des Winzer-Weinmarketings zu folgen. Prowein, die nächste GG-Verkostung, Weinkönigin, Spekulationen zum aktuellen Herbst, Gault-Millau und das Ganze wieder von vorne. Dazwischen immer mal wieder eine kleine 5 Euro Debatte oder das Thema Spitzenwein beim Discounter.
Auch die immer gleichen Verkostungsnotizen oder die vermeintlich witzige und unkoventionelle Schreibe, die immer wieder in Empfehlungen für die immer gleichen Weine mündet, dürften wenig dazu angetragen sein, ein größeres internationales Publikum zu interessieren.
Deutsche Weinblogger international nicht präsent
Interessant: beim deutschen Vinocamp gab es bisher keine Gäste aus dem Ausland. Andererseits reisen Deutsche auch nicht zu internationalen Blogger-Events: bei der European Wine Blogger Conference (EWBC) kommende Woche kann man die gesamte Szene aus UK und viele Amerikaner treffen. Deutsche Besucher lassen sich an einer Hand abzählen: ein paar Winzer haben sich nach Izmir verirrt, vermutlich aus beruflichen Gründen wird Caro Maurer da sein und eine Dame von der Prowein – Blogger Fehlanzeige.
Auch das Networking ist unter deutschen Bloggern wenig ausgeprägt – dabei ist bekannt, dass man nur wahrgenommen wird und nach vorne kommt, wenn man sich regelmäßig gegenseitig die Bälle zuspielt. Wie das kanalübergreifend funktionieren und wieviel Aufmerksamkeit man bekommen kann, war bei der Cape Wine 2012 zu beobachten.
Wer will, kann noch viel tun
Die Themen und die Möglichkeiten beim Wein sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Spontan fallen mir mindestens zwei Felder ein, die noch fast zur Gänze unbestellt sind und auf denen man sich national und international noch einige Lorbeeren – vielleicht auch den ein oder anderen Euro – verdienen kann:
- abgesehen vielleicht von Wein-Plus gibt es keine Wein-Informationsseite mit aktuellen internationalen Meldungen und Hintergrund
- ein unabhängiges englisch-sprachiges Blog oder eine Seite aus Deutschland zu deutschem Wein, die umfassend informiert und kommentiert fehlt auch noch
29. Oktober 2012 um 09:59
Lieber Herr Pleitgen,
das, was Sie beschreiben, ist nicht nur für die deutsche Weinblogger-Szene gültig. Das gilt auch für ganz andere Branchen. Ich beobachte das auch in meinem beruflichen Umfeld (IT), wo ich mich beispielsweise mit Social Media, Social Business etc. auseinandersetze und darüber blogge.
Auch dort ist die Szene deutsch.
Auch dort könnte sie lebendiger sein (aber immerhin passiert was).
Auch dort kennt man sich, d.h. es gibt einen „Inner Circle“ von Bloggern und „Experten“.
Auch dort gibt es kaum jemanden, der international wahrgenommen wird. Das liegt sicherlich auch an der Hemmschwelle, auf Englisch zu bloggen (sehe ich bei mir selbst).
Aber abgehängt? Ich weiß nicht. Ich sehe durchaus die Berechtigung für eine lebendige, bessere lebendigere deutsche Weinblogger-Szene. Das ist doch alles sehr überschaubar oder oft reine Promotion von Online Shops. Doch ich denke mal, dass viele Leser, die sich primär informieren wollen, das auf Deutsch tun wollen. Das sollte man nicht vergessen. Das Wein-Fachchinesisch ist schon auf Deutsch kaum zu verstehen, dann noch auf Englisch?
Die englischsprachige Szene ist dann wohl eher was für die Profis , die sich dort wie von Ihnen profilieren wollen und können.
29. Oktober 2012 um 10:36
Zum Glück gibt es unter den Onlinern ja nicht nur Blogger, sondern auch Journalisten, und von denen sind einige durchaus international vernetzt. Um sich davon zu überzeugen, reicht es, sich z. B. Google+ ein wenig genauer anzuschauen und nicht nur Facebook, wo tatsächlich die Deutschen unter sich bleiben. Es gibt auch nicht nur Wein Plus „mit aktuellen internationalen Meldungen und Hintergrund“, wenn ich nur auf meine eigene und die Seite(n) von Mario Scheuermann verweisen darf. Allzu viel über Weinköniginnenn etc. findet sich bei uns beiden auch nicht. Ich veröffentliche auch schon seit einigen Jahren einen Teil meiner Artikel auf ENO WorldWine auf englisch (natürlich nur Artikel, von denen ich annehme, dass sie international von Interesse sind und dass sie nicht schon übermäßig in angelsächsischen Publikationen breitgetreten wurden) und habe auch bereits einen Versuch auf chinesisch unternommen. Werde das auch sicher auch fortsetzen, wenn ich die Mehrsprachigkeit softwareseitig richtig in den Griff bekommen habe (da arbeiten wir dran). Natürlich könnte man da noch Vieles verbessern, ausbauen etc., aber das alles ist natürlich auch eine Frage des Geldes (Programmierung, Recherche, Reportagereisen etc.). Und genau das ist der Punkt, um den es bei uns sehr schlecht bestellt ist. Wenn ich mir anschaue, wie sehr z. B. einige italienische Online-Publikationen von Werbegeldern ihrer nationalen Weinindustrie unterstützt werden (etwa „Doctor Wine“ von Cernilli), wie wenig sich andererseits der deutsche Weinbau und seine Institutionen in diesem Bereich engagieren und statt dessen ihr Werbegeld lieber weiterhin in Printmedien zu Grabe tragen, die kaum noch jemand liest, dann habe ich diesbezüglich auch wenig Hoffnung für die Zukunft. Hinzu kommt, dass auch die internationale Weinwirtschaft den deutschen Markt in den letzten beiden Jahrzehnten recht stiefmütterlich behandelt haben, was Investitionen betrifft, und dass sie hierzulande meist mit Agenturen arbeitet (arbeiten muss) die mindestens genau so schlafmützig agieren wie der deutsche Weinbau. Eine wirklich schlagkräftige (deutsch- und/oder englischsprachige) Publizistik ist nur denkbar, wenn sich der nationale (oder internationale) Weinbau dafür interessieren. Auf etwas anderes zu hoffen ist Tagträumerei.
29. Oktober 2012 um 10:50
Hallo Herr Pleitgen,
hier kann ich Ihnen absolut nicht folgen. Wir haben eine schöne und vor allem überschaubare Bloggerscene, die sich auch im Vinocamp, Geisenheim, einmal im Jahr trifft. Wir sind ein kleines Weinbauland, daß um seine Konsumenten international beneidet werden. Warum nicht erstmal vor der eigenen Haustür kehren? Kommunikation heißt auch immer verständlich sein. Soll ich jetzt anfangen in Englisch zu schreiben, damit man mich in Neuseeland versteht? Und habe ich dem überhaupt etwas zu erzählen? Wir sollten uns eingestehen wer wir sind und wo wir herkommen. Lieber eine kleine und authentische Scene als ein Niveau, das so hoch und international ist – nur keiner ist drauf!
29. Oktober 2012 um 11:10
Ich sehe einige Dinge etwas anders. Ich schreibe mit der Zielgruppe Endverbraucher in Deutschland (laut Google-Analytics gute 82% aus Deutschland, 5% Schweiz und knapp 5% Österreich). Deswegen ist deutsch die denkbar beste Sprache. Und mich interessiert der feedback von diesen Lesern. Mein vorletzter Artikel hat 60 Gefällt mirs bei facebook gebarcht. Das hängt damit zusammen, dass es sich um ein reales Ereignis mit echten und bunt gemischten Menschen handelt.
Einige deutsche Weinblogger arbeiten zusammen. Nicht in einem festen Netzwerk und ohne Muff. Aber häufig mit Spass und auf der Basis von Freundschaft und Vertrauen. Da kann man den Besuch auf dem Wurstmarkt oder auch die Tour an die Loire nennen. Da war auch der oben genannte Jimm dabei. Er kennt also persöhnlich seitdem mindestens drei deutsche Weinblogger. Man sollte die bestehende internationale Vernetzung nicht unterschätzen. Und man könnte auch etwas dazu sagen, dass das VinoCamp in Deutschland eine ganz andere Struktur hat, als die z.B. in Frankreich.
29. Oktober 2012 um 11:33
Herr Schwedler das „abgehängt“ bezieht sich auf die internationale Bedeutung – da gibt mir auch der Kommentar von Thomas Günther recht, in dem er seine Zahlen nennt.
Thomas ist doch vollkommen in Ordnung – jeder soll das machen, was er will und kann. Trotzdem ist die Frage interessant, was dazu führt, dass „die Szene“ nicht wahrgenommen wird, wie in UK oder US…
29. Oktober 2012 um 14:08
Wird denn umgekert die U.S.-amerikanische oder britische Bloggerszene hierzulande wahrgenommen? Ich glaube, eher nicht, beziehungsweise allenfalls dort, wo es um nicht-deutsche Themen geht. Wir deutschen Blogger sollten, anstatt uns über Zugriffszahlen aufzugeilen, mehr unserem „Stammpublikum“ widmen und (wieder) mehr über deutsche Themen schreiben.
29. Oktober 2012 um 15:15
Michael, die Frage der Szene ist ja schon interessant. Es werden in der Türkei wahrscheinlich auch recht wenige Spanier sein (außer bei den Organisatoren). Und aus einigen Ländern kommen wahrscheinlich wieder die Leute, denen es vorallem um Kommerz geht. Ich halte das nicht für schlimm, aber mir macht das dann weniger Spass. Das ist ja gerade auch der Unterschied beim VinoCamp. In Deutschland wird am Ende Geld für einen guten Zweck gespendet und viele Leute helfen freiwillig mit. In anderen Ländern sind das kommerzielle Veranstaltungen mir der Absicht zur Gewinnerzielung. Mir gefällt das deutsche Modell besser.
Bei der internationalen Vernetzung handelt es sich aus meiner Sicht einige wenige Akteure. Wie in Spanien gibt es auch in anderen Ländern daneben eine richig gute Szene. Nur über die reden weniger Leute. Trotzdem lesen die einige Leute. Den fand ich immer sehr gut: http://laotrabotella.com/ (leider nicht mehr aktualisiert) oder den: http://iglegorburu.wordpress.com/ oder diesen: http://www.rocowines.net/ Ich bin wahrscheinlich einer der wenigen Leser dieser Blogs in Deutschland. Na und?
Ich will das nicht falsch verstanden wissen: Ich kümmere mich lieber darum fundierte Texte zu schreiben, als international Kontakte zu pflegen. Das werden die Leser wahrscheinlich auch eher positv bewerten.
29. Oktober 2012 um 21:01
Ich sehe das auch nicht weiter dramatisch, denn wir schreiben nun mal hauptsächlich für deutschsprachige Leser und daher beschäftigen wir uns halt auch mit diesen Themen.
Gerade ich, als einer der ganz wenigen, der auch international unterwegs ist, kenne allerdings auch die internationale Blogger-Szene und da ist es eigentlich nicht sooo viel anders. Das sind auch nur ein paar wenige, die wirklich gute Zahlen und Vernetzung haben, die daher auch bedeutend sind. Die haben dann aber natürlich zig-mal mehr Zugriffe. Das liegt dann wirklich nur an der Sprache.
Zum Thema EBWC muss ich sagen, dass das halt eine Truppe ist, die sich da ein paar ordentliche Sponsoren angelacht haben und sich mit dem Treffen eine goldene Nase verdienen. Genau die, die das veranstalten, sind in Wahrheit nicht sonderlich „wichtig“. Ich war da einmal dabei und finde es nicht wert, da wieder hinzufahren. Die wichtigen treffe ich eh woanders, in Italien, Spanien oder Frankreich. Und sonst sitzen dort nur jede Menge PR-Ladies ;-)
29. Oktober 2012 um 22:39
Danke Helmut für die ehrlichen Worte. Ich habe mich das nicht so offen getraut zu schreiben und dann lieber mit lesenswerten spanischen Weinblogs argumentiert, die sehr wahrscheinlich nicht in der Türkei sein werden.
30. Oktober 2012 um 10:57
Welcher von den englischen oder amerikanischen Bloggern wird in Deutschland gelesen? Welcher italienischer Blogger, wird bei uns gelesen? Wie es Thomas ausführt, ist es eine Frage der Zielgruppe. Für wen schreibe ich? Ich schreib viel über italienischen Wein in Deutschland und so kommen 70% meiner Leser aus Deutschland. Der Rest verteilt sich auf A, Ch und eben Italien.
Ihre Focusierung auf eine Zielgruppe, Herr Pleitgen, ist perfekt. Bei manch anderem bleibt die Frage offen. Vor allem eine Frage würde mich brennend interessieren. Warum schreiben viele „Weinblogger“ so ungern über unser Thema, den Wein?
Pingback: Wer bloggt ist Blogger – eine Momentaufnahme der Weinblog-Szene
22. Dezember 2012 um 16:23
„ein unabhängiges englisch-sprachiges Blog oder eine Seite aus Deutschland zu deutschem Wein, die umfassend informiert und kommentiert“
Komisch.
_Mir_ als bekennendem nicht-Nerd fällt sofort ein solcher englischsprachiger Blog über deutschen Wein, deutsche Winzer, deutsche Weingeschichte[n] und deutsche Weinlandschaften ein. Den es seit 2009 gibt. Noch dazu gut lesbar, trotz sehr präziser Verkostungsnotizen auch für nicht-Weinfexe unterhaltsam und informativ, dabei nicht nur für einen selbstreferentiellen inner circle anderer Blogger schreibend, wo jeder den anderen kennt und mit Vornamen nennt, keiner den anderen wirklich mag, und man trotzdem im sicheren Käfig hocken bleibt.
Aber Pleitgen kennt ihn nicht. Nur ja. Muss mensch ja auch nicht. Man kann auch unter sich verbleiben.
22. Dezember 2012 um 21:01
Sie machen es aber spannend lieber Alexander. Lassen Sie uns an Ihrem Wissen teilhaben? Habe allerdings mit der Site ode dem Blog nicht so etwas gemeint wie Deutsche Weine – das fällt ja eher in die Rubrik PR – oder Wein Plus, was ja mehr international ausgerichtet ist. Sondern eher etwas, was mitten in der deutschen Weinwelt und Diskussion steht.
Also?
22. Dezember 2012 um 21:06
Nein zur letzten Anforderung. :-)
Der Blog über (schwerpunktmäßig, wiewohl nicht nur) deutsche Weine und deutsche Gesichter wie Geschichte(n) steht stattdessen mitten in der _internationalen_ Weinwelt und Diskussion, auch wenn’s zugegebenermaßen nicht wenige Briten und damit Insulaner darauf gibt. Einer der beiden Blogger residiert dort.
Es sind aber durchaus auch schon Deutsche als diskutierende Teilnehmer gesichtet worden, nicht nur als Herausgeber und Objekte der Beschreibung. :-)
http://www.winerambler.net/
24. Dezember 2012 um 10:53
Schönes blog mit Weinbeschreibungen – nicht genau, was ich meinte… Danke für den Tipp!
8. Januar 2013 um 08:38
Hallo,
dann gibt es noch Christian Schiller mit seinem englischsprachigen Blog, der sehr viel über deutsche Weine schreibt:
http://schiller-wine.blogspot.de
Und ich fange gerade damit an, auf schwedisch über die Pfalz und ihre Weine zu bloggen: blog.riesling.se. ;)
(Eine englische Variante wird folgen. Bezieht sich allerdings nur auf die Pfalz und nicht Deutschland allgemein….)
3. Dezember 2017 um 14:33
Halli hallo,
ich weiß nicht, ob der Artikel auf deutsche Weinblogs im Allgemeinen zutrifft …
Und ich denke, dass ich auch nicht über andere Blogs urteilen möchte.
Ich weiß aber, dass ich auf meinem Blog ziemlich viele Aufrufe von Usern aus dem Ausland habe – die den Kommentaren zufolge die Übersetzungsfunktion von Google benutzen.
„Michael mag Wein“ ist vielleicht aber auch nicht der Standardblog, wie man ihn nach diesem Artikel erwarten würde.
Beste Grüße
Michael