„Fehlstart für Aldi und Lidl“ mit dieser Headline erschien am Freitag die Lebensmittelzeitung. Die Discounter mit Ausnahme von Aldi und Lidl lägen für die beiden ersten Monate des Jahres auf Vorjahresniveau, berichtet die LZ von neuen GFK und Nielsen Erhebungen. Aldi und Lidl wiesen in beiden Monaten ein Minus aus. Vor allem der Februar sei deutlich: Aldi minus 7,4%, Lidl minus 6,2 %. Damit hätten die beiden gegenüber den Mitbewerbern Marktanteile verloren.
Am Wochenende wurde das Thema breit aufgegriffen. Hier einige Beispiele: Umsätze bei Aldi und Lidl brechen ein (SPIEGEL-ONLINE) Aldi und Lidl nicht mehr so beliebt (merkur online), Bei Aldi und Lidl sinken die Umsätze (abendblatt.de)
Die Marktforscher seien selbst überrascht wird unter Berufung auf die LZ berichtet, hätten sie doch den Discounter in Krisenzeiten gute Geschäfte vorausgesagt. Davon sei bisher nichts zu merken. Der Februar habe zwar einen Verkaufstag weniger gehabt als im Vorjahr, daran könne es aber nicht liegen. Ein möglicher Effekt liege vielleicht in den teilweise massiven Preissenkungen und der neuen Preisschlacht, angeführt von Aldi und Lidl. In umsatzstarken Artikelgruppen wie MoPro und Fleischwaren sanken die Preise spürbar. Diese neue Preisrunde sei von den Merktführern nicht zuletzt eingeleitet worden, um Netto/Edeka nach der Übernahme von Plus den Start zu erschweren.
Das große Rätselraten setzt ein, wenn es um die Ursachen der Kaufzurückhaltung geht. Die SZ Print zitiert am Samstag Hubertus Pellengahr vom Einzelhandelsverband, er wolle nicht ausschließen, dass der Handel jetzt „die ersten Vorboten der Abwrackprämie..zu spüren bekommt“. Für das neue Auto in der Garage schränke man sich eben beim Essen, Reisen und bei Möbeln ein. Allerdings scheinen die Verbraucher auch beim Auto umzudenken: 15% weniger Besucher bei der Leipziger AMI Automesse und das, wenn man weiss, dass gerade der Ostbürger auch 20 Jahre nach der Wende die automobile Freiheit über alles schätzt.
Das GFK Konsumklima für März sieht weiterhin gut aus. Die Anschaffungsneigung liegt 13,9 Punkten und damit 24 Zähler über Vorjahr. Auswirkungen der Krise auf den Handel sieht der Einzelhandelsverband erst in der zweiten Jahreshälfte.
Das deckt sich mit den Erfahrungen in der Weinbranche. Hier kann noch niemand voraussagen, wie sich das wichtige Jahresendgeschäft entwickelt. Die Stimmung in der Branche ist trotz schlechter Nachrichten aus der Wirtschaft gut . Bei der Prowein waren nicht nur die Besucherzahlen im Plus, viele Anbieter und Händler kamen sehr positiv gestimmt von der Messe zurück.
Zurück zu Aldi und Lidl: es gibt bislang keinen offiziellen Kommentar und auch noch keine Dementis. Also scheinen die Zahlen zu stimmen. Wie die LZ schreibt, beginne jetzt die Suche im Detail. Bei Aldi stünden vor allem die AfG und Drogeriewaren im Fokus, die bereits 2008 geschwächelt hätten.
Vielleicht macht sich jetzt auch erstmals ein strukturelles Problem 15.255 Discountmärkte, bemerkbar: Anfang 2008 gab es in Deutschland durchschnittlich ein Markt pro 5.260 Einwohner. Im Krisenjahr 2003 hatten die Discounter einen Marktanteil von 40% der Umsätze im Lebensmittelhandel erobert. Den hatten sie seither gehalten. Der Anteil, der Haushalte, die sich fast nichts mehr leisten können und ihr Einkommen im wesentlichen für Miete, Energie und Lebensmittel ausgeben, ist in der gleichen Zeit um 8% auf 27% der Haushalte gesamt gewachsen. Der Markt ist voll, in manchen Regionen überbesetzt, viele Verbraucher haben tendenziell weniger zur Verfügung. Da machen sich Preisschlachten und neue Wettbewerber, wie zum Beispiel erstarkende Drogerieketten (DM, Rossmann), bemerkbar.
Am Samstag gab es bei Lidl gleich noch einen weiteren Schlag ins Kontor: der SPIEGEL kündigte für Montag auf Seite 78 einen neuen Lidl-Datenskandal an. Titel: Bis vor wenigen Monaten legte Lidl Notizen über Krankheiten seiner Mitarbeiter an . Nach einem Vorab-Bericht im Handelsblatt sollen per Zufall in einer Mülltonne in Bochum Lidl-Unterlagen gefunden worden sein, aus denen hervorgeht, dass Lidl noch bis Ende 2008 systematisch die Gründe für das Fernbleiben von Mitarbeitern vom Arbeitsplatz festgehalten hat. Und dies obwohl Lidl nach dem letzten Skandal vom März 2008 Besserung gelobt hatte.
Diese neue Panne dürfte den Neckarsulmern gar nicht gefallen: zwar hatte Lidl nach eigenen Aussagen nach der Bespitzelungs-Affäre im nur einen kleinen Umsatzeinbruch zu verzeichnen, nach Untersuchungen des Kölner MaFo Institutes Grass Roots jedoch, hätten vier von zehn Verbrauchern im vergangenen Jahr wegen der schlechten Arbeitsbedingungen bei Lidl auf einen Einkauf bei dem Discounter verzichtet.
6.April 2009, 20h00:
Prompte Reaktion bei Lidl: Deutschland -Chef Mros wird mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Wenn man sich dazu die Kommentare auf Spiegel-Online anschaut, scheint die Grass Roots Umfrage von 2008 ziemlich nah an der Wirklichkeit gelegen zu haben.
7. April 2009 um 13:23
Wenn jetzt ein Umsatzplus bei den Discountern (insbes. LIDL) zu verzeichnen wäre, würde mich das sehr enttäuschen – auch, wenn viele der Angestellten beim Discounter froh sind, überhaupt eine Arbeit zu haben, darf das nicht auf Kosten der Moral oder des Datenschutzes gehen. Schlechte Arbeitsbedingungen sollten auch von einem „sparenden“ Konsumenten nicht einfach hingenommen werden. Ich für meinen Teil boykottiere Discounter schon aus diesem Grund.