Am Ende ist es dann immer der Bordeaux. Vor Jahren bei einem Old World – New World Tasting: der Gewinner des Abends in der Blind-Probe war eindeutig ein Cabernet aus Chile.
Als es zum Nachverkosten kam, ließen alle die top-bewerteten Übersee-Weine links liegen und stürzten sich auf die Reste von Margaux & Co.
Etwas Ähnliches berichtet Tim Atkin in seinem Blog vor den Osterfeiertagen: es sei eine „heartbreaking experience„, habe ihm ein Weinhändler erzählt, einem jungen engagierten Winzer aus dem Languedoc sagen zu müssen, daß man seine Weine nicht mehr weiterführen könne, weil die Kunden nicht bereit seien, angemessen dafür zu bezahlen.
Atkin meint, man könne Languedoc durch Loire, Österreich oder Süd Afrika ersetzen. Die Weinwelt, so groß und vielfältig sie auch oft erscheinen möge, werde sehr eng, wenn es um „fine wines“ gehe, für die man bereit sei, wirklich Geld auszugeben.
Das Trio aus Bordeaux, Burgund und Rhône lasse sich vielleicht um Champgner und Port ergänzen – dazu noch eine Handvoll Weine aus Australien, Kalifornien, Spanien, Italien and Deutschland. Das sei es aber auch dann schon.
2011 – Chance für Neues?
Atkin selbst ist dafür, auch anderen Herkünften mehr Beachtung zu schenken, wenn es um große Weine geht. Nach vier Jahrhunderjahrgängen in 11 Jahren könnte es ein, dass viele Fine-Wine-Fans keinen 2011er Bordeaux mehr kaufen wollten. Sie würden sich nach Alternativen umsehen. Journalisten und Handel sollten die Stunde nutzen und Neues promoten – es sei vielleicht die letzte Chance.
Auch wenn 2011 kein Jahrhundertjahrgang sein sollte – Investoren oder selbst Weinfreunde, die sich ab und an einmal ein gute Flasche gönnen, für Weine aus dem Languedoc oder Übersee zu begeistern, dürfte schwierig sein – siehe oben. Schon nach dem 1997er hatten viele Händler und auch viele Käufer die Nase voll – trotzdem stiegen Nachfrage und Preise ungehindert weiter. Meine eigene Erfahrung damals nach mehreren Proben mit Übersee-Crus: die bisherigen Bordeaux-Käufer waren überrascht, hofften aber eher auf fallende Preise als für einen Chilenen oder Australier mehr als 30 DM auszugeben.
Bordeaux ist eben Bordeaux – das Erste, was man als Fine Wine Eleve lernt, ist die Klassifikation von 1855. Das Zweite, was einen nachhaltig beeindruckt, sind die Preise und das Dritte ist die Qualität bei Weinen, die 15 – 20 Jahre und mehr auf dem Buckel haben.
Investment und Luxusgut
Wer in Wein investieren will, bekommt von allen Seiten Bordeaux als sichere Anlage empfohlen. „Bordeaux represents 90% of the wine investment market and should take the lion’s share in any portfolio“ schreibt der Decanter. Und anders als bei Investments in Immobilien oder Aktien, kann man die Weine, selbst wenn die Performance mal nicht so gut sein sollte, auch nach Jahren immer noch mit Genuß trinken.
Großer Bordeaux hat das, was viele Luxusgüter auszeichnet:
- die Qualität wird als herausragend und beständig wahrgenommen
- das Produkt und die Klassifikation ist zunächst einfach zu verstehen. Der Markt ist überschaubar.
- gemessen an der Nachfrage ist er knapp und nicht beliebig vermehrbar. „Die
schwierige Zugänglichkeit des Gutes macht dieses nur einer sehr kleinen, in
der Regel sehr elitären, Gesellschaftsschicht zugänglich.“ - er hat eine lange Tradition und Geschichte, uneinholbar durch Napa, Chile oder Australien. „Je länger die Marke schon knappe und schwer erreichbare Güter produziert, desto beständiger und wertvoller erscheint das Gut. Es hilft weiterhin als Orientierungspunkt für den Konsumenten, da man mit dem Konsum einer „alteingesessenen“ Marke wenig falsch machen kann.“
- absolut und auch in seiner Kategorie (Wein) ist er teuer. „Der Preis wird … als Indikator für eine besonders hohe Wertigkeit des Gutes angesehen und macht dieses nur wenigen Personen zugänglich.“
- mit zunehmendem gesellschaftlichem Reichtum wird die Nachfrage größer. Das führt zu steigenden Preisen und paradoxerweise im Luxusmarkt wieder zu steigender Nachfrage.
Qualitätsbewußt, konservativ und risikoscheu
Vielleicht kann man Bordeaux-Liebhaber mit Mercedes-Fans vergleichen. Das System der Klassen ist zunächst einfach: von A bis S. Doch kann man auch tiefer einsteigen und muss dann wissen, was es mit Hoch- oder Flachkühler und der Pagode auf sich hat.
In der Welt zuhause, doch gleichzeitig qualitätsbewußt und extrem konservativ und risikoscheu. Mercedes-Fahrer wollen, wenn sie einmal auf ihr Auto verzichten müssen, als Ersatzfahrzeug einen Wagen mit Stern. Sie probieren nicht gerne etwas anderes aus – auch keinen BMW. (BMW- und Audi-Fahrer sind da ganz anders: sie nutzen die Chance zum Testen).
Beim Wein wäre es also kein Wunder, dass es am Ende dann immer der Bordeaux ist.
Übrigens: Tim Atkin war auch zur Verkostung des aktuellen Jahrgangs im Bordelais – scheint doch irgendwie alternativlos zu sein.
(Zitate aus Hellhammer, Marketingforschung im Luxussegment, MD 2007)
11. April 2012 um 09:28
Besser kann man die psychologische Seite dieses Marktsegments nicht zusammenfassen!
11. April 2012 um 09:34
Zu diesem Thema gibt es ein Essay von mir, das ich in den 1990er Jahren bereits verfasst habe: Megamarlken. Das kann man auf best-of-wine.com finden
http://www.best-of-wine.com/Editorials/Editorial2.htm