Appellation America am Ende – Hat Online-Wein-Journalismus eine Chance?

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Hat Online-Wein-Journalismus eine Chance? In der letzten Zeit wurde in Online-Kommentaren immer wieder der Niedergang der Wein-Presse begleitet und als eine fast unaufhaltbare Folge des Shifts weg vom Print, hin zu Internet gesehen. Jetzt hat es eine der renommiertesten Wein-Seiten in den USA gefaßt: Appellation America stellt bis auf weiteres sein Erscheinen ein. Es werden keine neuen Artikel veröffentlicht.

appellation_americaDie Website war ein ambitioniertes Projekt. Sie befaßte sich ausschließlich mit amerikanischen Weinen, kämpfte für Qualität und spürte auch noch die kleinste Winery abseits des Main-Stream auf. Sie wurde so etwas wie das inoffizielle News-Bulletin der US Weinwirtschaft. Seit 2003 veröffentlichte Appellation America (AA) nach eignenen Angaben mehr als 30.000 Seiten. Von Anfang an hatte das Projekt allerdings ein Problem: wie finanziert man hochwertigen, unabhängigen Journalismus im Internet?

Tom Wark, der einige Jahre bei AA mitarbeitete, sieht darin das große ungelöste Problem der Site. AA legte ein Wein-Bewertungsprogramm „Best of Appellation“ auf, ähnlich, wie wie wir es auch in Deutschland bei Wein-Plus kennen. Unterschied: AA verlangte pro angestelltem Wein 50 USD für die Bearbeitung. Die vorgestellten Weine konnte man im Rahmen eines Partner-Programms über die Website beziehen.  Für viele Leser wurde das zum Problem: wie glaubwürdig ist eine journalistische Website, die gleichzeitig einen e-commerce betreibt?

Im Frühjahr kündigte AA dann an, ab dem Sommer auf ein Abo-Modell umzustellen: 4,95 USD pro Monat sollten die Abonnenten für exklusiven Content bezahlen. „Hoffentlich machen die Leser mit“ kommentierten Internet-Kollegen. Leider ist es jetzt so gekommen, wie viele befürchtet haben: die Leser haben nicht mitgemacht. Es fanden sich nicht genug zahlende Abonnenten.

Mancher sieht die These bestätigt, das Internet entwerte alles: Text werde Content, Handwerk zu schlecht bezahlter Unterhaltung.  Steve Heimoff schrieb, auch die besten amerikanischen Weinautoren könnten auf die Dauer nicht für Umsonst schreiben. Tom Wark merkte zynisch an, für die Leser sei die Tatsache, daß ein Text gratis sei, wichtiger als die Qualität. Wiegt ein Heft in der Hand immer noch schwerer, als die aktueller Artikel aus dem Netz?

Glaubt man den Zahlen von Google, hat AA täglich zwischen 2.000 und 3.000 unique visitors gehabt. Eine Zahl, die in Deutschland nur von zwei bis drei Wein-Seiten erreicht wird. Auch bei uns stellt sich die Frage, wie sich die Wein-Online-Publikationen auf die  Dauer finanzieren können. Die Weinwirtschaft geizt mit Anzeigen. Das Sponsoring durch große Händler oder Hersteller (Beispiel TVINO) ist eine Möglichkeit oder der mittelbare oder unmittelbare Einstieg in das Wein-Geschäft.

Überleben können Wein-Seiten zur Zeit nur, weil sie von Einzelkämpfern getragen werden oder weil das Geld woanders verdient wird. Auch der Weinakademie Blog ist ein Nebenprodukt der Seminare und Trainings. Echte Redaktionen mit eigener Recherche und eigenen Texten kann sich niemand leisten. Bestenfalls werden Agenturmeldungen oder Content von Kollegen verarbeitet. Es gibt nur eine Seite, die auch zahlende Leser kennt. Man sollte besser „Benutzer“sagen, denn die zahlen in erster Linie wohl für die dort angebotenen Services.

Wo geht die Reise hin? Wer bleibt am Ende des Tages übrig? Geht es den Online-Journalisten so, wie ihren Print Kollegen? Heißt online Schreiben vom Regen in die Traufe zu fallen? Spannende Fragen, über die zu diskutieren es sich lohnt!

Nachsatz 29. Juli:

In einem Brief an Tom Wark schrieb gestern der Herausgeber von Appellation America Tom Welch, man sei nicht am Ende, sondern habe nur das Geschäftsmodell geändert. Fakt ist allerdings, daß auf der Seite nichts mehr publiziert wird.

3 Kommentare

  1. Tom Warks schreibt ja auch davon, dass man eyeballs anziehen muss, um in der Werbewelt Bedeutung zu haben, wenn man statt von Abonnenten von Werbung leben wollte. Das bezieht sich ja einmal auf Besucherzahlen, es gibt aber sicher auch Untersuchungen dazu, was diese eyeballs dann auch wirklich wahrnehmen.

    Mir fällt dabei auf, dass ich, wie sicher viele andere auch, Werbung auf Internetseiten visuell völlig ausblende – es sei denn, sie poppt mitten im Blickfeld auf, dann hat sie eher einen negativen Effekt…

    Das heißt, sie müsste eben glaubhaft (?!) in den Lese-, Nachrichteninhalt integriert werden – und das so, dass sich der Leser nicht ver… fühlt – gar nicht so einfach….

    • Liebe Iris,
      viele sehen die Werbung garnicht, weil sie zum Beispiel einen Werbeblocker eingestellt haben oder die Seite im Feed lesen. Hier lesen zum Beispiel über 300 nur im Feed mit. Bei meinen etwas über 500 Lesern würden 2/3 eine Werbung garnicht sehen.

  2. Das ist die Frage, die ich mir schon die ganze Zeit stelle: Warum meinen die Weinblogger davon zu profitieren, wenn wieder ein Print-Weinmagazin eingestellt wird? Wenn die Verbraucher schon nicht mehr bereit sind, für das Magazin am Kiosk etwas Geld auszugeben bzw. es die Händler und Weingüter nicht mehr als notwendig und vorteilhaft erachten, dort Werbung zu machen, warum sollten sie es dann in den online-Medien machen?

    Der Vorteil der geringeren Produktionskosten und damit der niedrigeren Einstiegshürde, ist momentan wohl auch noch der Nachteil der online-Medien… Die Vielfalt bzw. die Vielstimmigkeit macht es denen, die gerne Werbung machen würden, nicht einfacher…

    Es bleibt die Frage nach einem vernünftigen Geschäftsmodell!