Jede Woche Dienstags und Donnerstags fällt der Hammer. Alle waren schon dran – ob aus der Toskana, aus California oder dem Kamptal. Berühmte Namen und bekannte Marken.
Ein anderer Anbieter versucht sich jeden zweiten Tag mit Discount-Preisen für Weine renommierter Winzer und Weingüter zu profilieren. So toll sind die Preise häufig nicht: ähnliche Angebote findet man oft nach kurzer Recherche auch an anderer Stelle im Netz. Dramatisch ist es trotzdem, was hier passiert.
Was wir hier sehen, ist das Ergebnis eines harten Wettbewerbs um Aufmerksamkeit und Kunden in einem immer stärker umkämpften Markt – auf Kosten der Hersteller. Der Erzeuger investiert in seine Weine Zeit, Geld und Mühe, um eine bestimmte Qualität zu erreichen. Gleichzeitig versucht er, mit zahlreichen Maßnahmen sich und seinen Wein bekannt zu machen und zu profilieren. Quälität und Renomée sollen beim Konsumenten Präferenzen schaffen und den Preis rechtfertigen. Vielen Konsumenten fällt es übrigens schwer, die Qualität eines Weines zu beurteilen – für sie ist das Renomée bei ihrer Entscheidung am Ende wichtiger.
Händler profilieren sich auf Kosten der Hersteller
Der Handel könnte bei oberflächlicher Betrachtung mit einem hohen Preis für einen Top-Wein zufrieden sein! Da gibt es viel Geld beim Verkauf einer Flasche! Das ist aber zu kurz gedacht: zum einen verkauft sich ein bekannter Wein zu einem niedrigen Preis natürlich besser und zum anderen setzen Schnäppchen-Preise beim Kunden positive Signale. Positive Signale für den Händler – denn sein Interesse ist erstens – daß die Kunden bei ihm und nicht bei der Konkurrenz kaufen und zweitens – beim nächsten Kauf wiederkommen. Für den Händler steht nicht das Produkt im Vordergrund, sondern das Profil seiner Verkaufstätte. Das Produkt ist hier nur Mittel zum Zweck und einigermaßen austauschbar.
Bei bekannten Weinen und Marken ist es viel einfacher, mit dem Preis zu spielen: die Kunden haben ein Bild vom Produkt im Kopf und einen Preis. Bei unbekannten Produkten funktioniert das Spiel nicht so gut.
Ordnung an der Preisfront ist überlebenswichtig
Welches Interesse hat der Hersteller, den Preis seines Produktes hoch zu halten? Er bekommt vom Billiganbieter oft genau soviel Geld für seinen Wein, wie von einem „normalen“ Weinhändler.
Der normale Weinhändler profiliert sich in der Regel weniger über den Preis, als vielmehr über sein Sortiment und das Image der angebotenen Produkte. Da stört der Billiganbieter, der ihm die Kunden wegnimmt und am Image kratzt. Auf die Dauer verliert der Händler das Interesse an den Weinen – er will nicht in einen Wettbewerb, den er nicht gewinnen kann. An diesem Punkt muss sich der Hersteller überlegen, mit wem er Geschäfte machen möchte. Will er mit dem Weinhändler arbeiten, hat er an der Preisfront für Ordnung zu sorgen.
Und er hat noch einen zweiten Grund: den Verbraucher. Weine, die nur noch zu Angebotspreisen verhämmert werden, verlieren auch für den Endverbraucher an Attraktivität. Eventuell kauft er nur noch bei extremen Angeboten.
Für den Weinhandel ist das Problem relativ neu – aber durch die Internet-Anbieter wächst es schnell. Die Markenartikel-Hersteller von der Margarine bis zur Zahnpasta kennen das Problem schon lange. Sie investieren in ihre Marken und müssen hilflos zusehen, wie die Händler sich mit ihren schönen Produkten Preisschlachten liefern.
Heraus aus dem Teufelskreis
Wie kommt man als Hersteller aus dem Teufelskreis heraus? Es ist immer gut, zunächst einmal das Gespräch zu suchen, die eigene Situation klar zu machen und gemeinsame Lösungen mit dem Händler zu finden – eventuell auf andere Produkte auszuweichen. Im Extremfall kann man dann immer noch überlegen, nicht mehr zu liefern oder Produkte aus den Regalen herauszukaufen. Die schlechteste Strategie ist, nichts zu tun. Aber jeder Fall liegt anders – die eine Lösung gibt es nicht.
Unternehmen sind darauf angewiesen, Geld zu verdienen. Kann man also warten, daß sich das Problem der Billig-Anbieter auf natürliche Weise löst? Nein – man kann nicht. Zum einen läßt sich über das Internet auch bei extrem geringen Margen Geld verdienen und zum anderen, sollte sich tatsächlich einmal jemand verkalkuliert haben, gehen am nächsten Tag zwei andere an den Start.
27. Januar 2012 um 14:33
Toller Artikel Herr Pleitgen und mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Billiganbieter können nicht nachhaltig wirtschaften und lösen sich gegenseitig ab, ziehen aber „nachhaltig“ die Preise runter, eine Spirale aus der es anscheinend, wie auch Sie In Ihrem Artikel folgerichtig argumentieren, kein entkommen gibt, zumindest nicht in absehbarer Zeit. Deshalb setze ich in meinem Markt auf: „Liebe zu den Kunden, statt Kampf um die Preise.“
Denn wer bringt einem Kunden nach Feierabend noch schnell die Kiste Wein vorbei, weil er sich kurz vor Weihnachten den Knöchel verstaucht hat? Wer besorgt schon anhand eines Bildes 24 Flaschen Wein für eine Hochzeit, für deren Erwerb man durch die halbe Weltgeschichte telefonieren und fahren muss!? Und wer bückt sich schon um aus reiner Aufmerksamkeit einer älteren Dame mal die Schnürsenkel zu schnüren? Bei Aldi und Co. sicher nicht, und im Netz schon gar nicht!
Wein ist und bleibt im Kern ein „Mensch zu Mensch Geschäft“
Herzliche Grüße aus dem Süden
Christian Geling
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