„Beschauliche Stillleben mit Bordeauxflaschen und gefüllten Gläsern in einem konservativ gediegenen Ambiente“ so beschreibt Mario Scheuermann auf Planet Bordeauxdie neue 7 Millionen Euro teure Werbekampagne des Bordeaux-Verbandes.
In der Version für die Exportmärkte weden die Stillleben mit Personen belebt, die deutlich der oberen Mittelschicht entstammen und sich dem süßen Nichtstun und einem Glas Wein hingeben. Die neue Kampagne ist auf der einen Seite recht grün – „Très nature“, wie eine französische Zeitung schreibt, und gleichzeitig doch recht stylisch: „Le terroir à la sauce électro“ – Terroir an Electro-Sauce.
Den Teaser für die Kampagne kann man sich auf Vimeo anschauen und weil die Fotos der schwedischen Fotografin Denise Grünstein so stimmungsvoll sind, gibt’s gleich auch noch ein zweites Video mit dem „Making of„.
Zielgruppengerechte Ansprache?
Zielgruppe der Kampagne sind sind laut CIVB Marketing Chef François Jumeau „urbane und genussorientierte Menschen über dreißig“. Die Imagekampagne setzt ganz auf Lifestyle, erklärende Elemente: was, wie, warum in Bordeaux alles so perfekt zusammenpasst, gibt es nicht.
Solche Werbung kann man heute vielleicht noch einem GALA Publikum servieren. Die „urbanen und genussorientierten Menschen über dreißig“, die sich mit Wein schon etwas auskennen, haben ganz andere Ansprüche: sie sind mehr daran interessiert , Werbung als Informationsquelle zu verwenden, um ihr Wissen zu erweitern.*
Das neue, junge Publikum, das man für Bordeaux gewinnen möchte, reagiert positiv auf Anzeigen, die sich auf soziale Interaktion fokussieren. Durch Weinberge oder Flaschen ist es nicht zu interessieren – sagt die Forschung.* Das Upper-Middelclass Ambiente und der „grüne“ Aspekt dürften junge Verbraucher weniger ansprechen. Beides ist wohl eher für die LOHAS geeignet: Natur, Öko, Nachhaltigkeit. Und unter denen dürften sich auch nach wie vor die Bordeaux-Konsumenten finden: 40+, gebildet, einkommensstark.
Hausaufgaben noch nicht gemacht
Überhaupt: die beste Werbung nutzt nichts, wenn das Image einmal ramponiert ist, wie die Bordelaiser selbst in ihrem Strategiepapier „Bordeaux demain“ feststellen. Es gilt zunächst einmal, die Hausaufgaben zu machen: 15 – 20% der Bordelaiser Ernte lassen sich nur im Billig-Segment absetzen – Weine von denen die Bordelaiser selbst meinen, daß sie es nicht wert sind, den Namen Bordeaux zu tragen. Diese 2,29-Weine schaden ganz eindeutig dem Bordeaux-Image.
Und auch am anderen Ende sieht man das Image in Gefahr. Robert Parker beklagte sich kürzlich über das Teuer-Image des Bordeaux, das durch ständig steigende Preise der großen Chateaus gerade in den letzten Jahrgängen entstanden sei. Dieses Image färbe auch auf die guten und preiswerten Mittelklasse-Weine ab. In den USA verschwänden die Weine bereits von den Karten der Restaurants und auch die Endverbraucher wenden sich ab. Er warnte, Bordeaux spiele ein gefährliches Spiel, wenn es sich zu sehr auf die Märkte in Asien konzentriere.
Das Marketing-Wunder Bordeaux funktioniert nicht mehr: Jahrzehnte lang konnte man scheinbar ohne Problem die gesamte Range von der Preiseingangstufe bis zum Top-Chateau bedienen. Dies hat aber nur so lange funktioniert, wie es keine Alternativen gab. Nachdem sich sowohl was die Qualität, als auch was die Distributions-Kraft angeht, internationale Mitbewerber positioniert haben, brechen die Bordeaux-internen Widersprüche auf: Bordeaux nimmt sich sozusagen selbst von oben und von unten in die Zange. Eine Image-Kampagne „One size fits all“ kann dort nichts mehr richten.
Als ich das Bordeaux-Video zum erstenmal sah, habe ich mich gefragt, woran es mich in seiner Cleanheit und Sterilität erinnert – Sonne, grüner Wald, blauer See, Natur. Nachdem ich gestern fern gesehen habe, ist es mir eingefallen: „… wurde Ihnen präsentiert von Krombacher!“ Kein Wunder: François Jumeau, der für die neue Kampagne verantwortlich zeichnet, stand bis 2010 als Marketing und Promotion Manager bei der Brauerei Kronenbourg und vorher bei Coca-Cola in Diensten.
*in Fleuchaus, Weinmarketing S 239 ff nach Barber: Capturing the Younger Wine Consumer 2008
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