Panem et circensis – Brot und Spiele – vielleicht ist es genau das, was eine breite Schicht neuer Genuß-Kunden heute will? Wie anders sind die immer noch stabilen Einschaltquoten der diversen Kochshows zu erklären?
Auch wenn der Berliner Kurier unlängst lästerte: „..kein Sender (kommt) mehr ohne kaspernde Kartoffelschäler aus, ohne Studers, Baudrexels, Schubecks, Mälzers, Kochmichtots und Dünstdiehirne. Kocharenen, Kochduelle, Kochschulen und Küchenschlachten heucheln uns 24 Stunden pro Tag vor, die Kanäle seien um unser lukullisches Wohlbefinden bemüht….“.Hier scheint jemand schon zu viele der Sendungen angeschaut zu haben – konsequenterweise ist der BK Artikel „Kochshows, Pest und Cholera“ betitelt.
Alles Lästern hilft nichts …
Schon seit Jahren werden die Shows totgesagt, aber genau so lange entstehen immer neue Formate. Und alles Lästern hilft nichts – das Koch- und Food-Phänomen beschränkt sich nicht nur aufs TV, es ist im wirklichen Leben angekommen.. Wie weit die Begeisterung reicht, ließ sich bei den eat&style Veranstaltungen in Hamburg, Köln, München und Stuttgart vor wenigen Wochen wieder beobachten.
Allein in Köln kamen an einem Wochenende mehr als 30.000 Besucher. Auffallend viel junge Besucher übrigens, wie ein Kollege bemerkte, der bei der Kölner Veranstaltung ein paar Minuten vor dem Eingang auf mich warten musste. Auch der Veranstalter selbst war erstaunt, wie jung seine Veranstaltung geworden ist, die es schon seit 2006 gibt. Jung meint hier zwischen Mitte 20 und Mitte 30 und vor allem weiblich – eine Gruppe, die die Weinwirtschaft nur schwer oder überhaupt nicht erreicht.
Live heißt das Zauberwort
Drinnen dann an einem Samstag-Nachmittag Mitte November zum Teil drangvolle Enge – eigentlich hätte man erwartet, dass sich all diese Leute um diese Zeit in der Kölner Fußgängerzone um die Schnäppchen schlagen…. Aber weit gefehlt!
Die besonderen Attraktionen bei der eat&style sind die Stände, an denen live gekocht wird und natürlich die Kochstars, die man aus dem Fernsehen und den Zeitschriften kennt und denen man hier so nahe kommt, dass man sie anfassen kann. Auf der Bühne performt gerade Nelson Müller und Band. Wer kein Extra-Bühnen-Ticket hat, kommt trotzdem in den akustischen Genuss – die ganze Veranstaltung findet unter dem Dach einer einzigen Messehalle Platz.
Manchmal darf es auch eine Party sein
Bei der Hamburger und Münchener eat&style gab es als eine moderne Brot-und-Spiele-Zugabe eine WineVibes Party Session, bei der „ein entspanntes Tasting mit einer ausgelassenen Clubnacht verschmilzt“ (PRINZ) – oder umgekehrt. Die beiden WineVibes Parties waren eigenständige Veranstaltungen – wurde aber zusammen mit der eat&style beworben. Veranstalter der Messe ist die Hamburger Fleet Events GmbH , die bis 2012 unter dem Dach von Gruner und Jahr als G+J Events firmierte und neben der eat&STYLE, die BABYWELT oder den Köchekongress CHEF-SACHE entwickelte.
Mittendrin in der Kölner Veranstaltung treffen wir Claudia Stern vom VINTAGE. „Klar muß man hier als lokaler oder regionaler Anbieter vertreten sein“ sagt sie. Genauso sieht es wohl Michael Gliss, der Kölner Kaffee- und Genuss-Trendsetter der Partner der Veranstaltung ist.
„Die Leute suchen ja immer was Neues und da sind sie hier vielleicht ein bisschen enttäuscht – aber es kann ja nicht immer etwas neues geben“ meint Stern. Sie serviert Kaffee und Kuchen und hat ihre Rut Wiess Gewürze mitgebracht. Auch wenn es nicht ganz so neu und relativ teuer ist – „die Leute“ knubbeln sich am Stand von Vorwerk (Thermomix) oder bei Miele. Auch der italienische Salamiverkäufer (Einheitspreis 8 Euro für die Wurst) scheint ein gutes Geschäft zu machen. Am Eingang/Ausgang der Messe kommen einem fast alle Besucher mit prall gefüllten Prospekt- und Einkaufstüten entgegen.
Die Zielgruppe wird von der Weinwirtschaft oft vernachlässigt …
Ob die Weinanbieter auf ihre Kosten kommen? Am Samstag-Nachmittag in Köln sieht es ganz danach aus. Ganz billig sind die Stände nicht: ab ca. 1500 € ist man mit einem kleinen Reihenstandstand dabei, will man gesehen werden, ist man schnell bei 5 – 6 Tsd Euro. Andererseits sind die Veranstalter auf attraktive Aussteller angewiesen – das dürfte Spielraum für Verhandlungen bieten.
Bleibt abschließend zu bemerken: die Weinwirtschaft ist sich oft zu fein für solche Art von Veranstaltungen. Dabei wird der Trend zum Homing, zum „Sich-Gemütlich-Machen“ und Feiern mit Freunden und Familie übersehen – der sich auch bei der eat&style oder ähnlichen Veranstaltungen zeigt. Gerade die eat&style ist im Laufe der Jahre wein-affiner geworden.
Es kommt darauf an, dorthin zu gehen, wo die Kunden sind – und die finden sich im Trubel der Kölner Messehalle genauso wie in der Berliner Gemäldegalerie am Kulturforum, die der VDP so gerne bespielt.
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