Cru Bourgeois: die umstrittene neue Klassifikation liegt vor

| 10.354 mal gelesen |

Bewußt auf CRU BOURGEOIS verzichtet - La Tour de By

Bewußt auf CRU BOURGEOIS verzichtet - La Tour de By

„Das ist keine Klassifikation im herkömmlichen Sinne mehr, sondern eine Blindverkostung, Typ Medaillenwettbewerb“ sagte gestern am Telefon Frédéric Le Clerc Besitzer des populären Château La Tour de By aus Bégadan im Médoc. „Was uns an der neuen Klassifikation stört, ist, daß sie nur geschmackliche Aspekte berücksichtigt. Da gibt es keine Kriterien wie Marktbedeutung, Bekanntheit, Geschichte, Tradition, Terroir und Style. Man hätte die Aufnahme von einem längeren Beobachtungszeitraum abhängig machen sollen: 10 Jahre zum Beispiel.“

Seit 1932 ist das Château klassifiziert. In der letzte Woche erschienen Liste der Crus Bourgeois des Jahrgangs 2008 ist es nicht mehr verzeichnet. Frédéric Le Clerc hatte sich wie andere bekannte Chateaux (Chasse Spleen, Citran, Clarke, Coufran, Phélan-Ségur, Poujeaux, Siran oder Tronquoy-Lalande) von der Klassifikation verabschiedet. „Um ein Zeichen zu setzen. Ich möchte auch in Zukunft einen Wein machen, der Ausdruck unseres Terroirs und unseres Château ist.  Ich möchte keinen Wein für einen Wettbewerb oder für ein Label machen.“  Le Clerc sieht die Gefahr einer „Parkerisierung“ , die durch das neue System begünstigt wird: „In der Verkostungs-Kommission sind viele Kollegen, für die relativ moderne Kriterien wie dunkle Farbe, Konzentration und Fülle eine Rolle spielen. Was sie mögen, darüber sollten die Kunden entscheiden. Man sollte sich davor hüten, eine ganze Appellation zu standardisieren.“  Le Clerc, der 300.000 seiner 480.000 jährlich produzierten Flaschen direkt an Endverbraucher vermarktet, wird jetzt erst einmal zusehen, wie sich das neue System entwickelt.

Wird es seiner Meinung nach eine Überarbeitung des Systems geben? „Wir waren in die Diskussionen im Vorfeld involviert und ich habe schon frühzeitig meine Bedenken geäußert“ sagt der Wasser- und Forst-Ingenieur und Absolvent der Elite-Schule Ecole Polytechnique, der La Tour de By 2005 von seinem Großvater Marc Pages übernahm. „Jetzt muß man erstmal zwei, drei Jahre warten, wie sich das System bewährt.“

Die Weine seiner anderen Besitzung Château La Roque de By hat er in der Klassifikation belassen, da sie weniger vom Terroir geprägt sind. „Wir sind weiterhin Mitglied in der Vereinigung. Die Kommunikation für Tour de By wird zukünftig mehr über die „Union des Grands Crus de Bordeaux„-Schiene laufen, wo wir auch Mitglied sind.“

Chateau la Tour de By wird in Deutschland unter anderem bei Jacques‘ gehandelt, Verkostungsnotizen finden sich bei Eckhard Supp.

2 Kommentare

  1. Danke für den Link. Ich sehe die Gefahr einer „Parkerisierung“ nicht so groß, oder zumindest könnte man da durch eine entsprechend ausgewählte Jury gegensteuern. Und immerhin nehmen ja auch einige Parker-Lieblinge nicht mehr am System teil, es kann also nicht nur daran liegen, dass so viele gute Erzeuger nicht mehr teilnehmen.
    Wesentlicher finde ich den Aspekt, dass jedes Jahr neu über den Status entschieden werden soll, und dass das Label „Cru Bourgeois“ im Unterschied zu allen anderen Bordeaux-Klassifizierungen nur noch für ein Jahr gilt. Erstens schafft das für den Verbraucher, der an die Dauer-Klassifizierungen gewohnt ist, Verwirrung, zweitens schwächt es die Markenkraft der „Crus Bourgeois“ und drittens öffnet es Zufällen und Unwägbarkeiten Tür und Tor. Wie ich in meinem Artikel http://eno-worldwine.com/aktuell/blog/bordeaux-erdbeben-bei-den-crus-bourgeois) sagte: Die Beurteilung der einzelnen Jahrgänge kann man getrost der Fachpresse überlassen (meinetwegen auch Parker).
    Und: Wer zu den Boykotteuren gehört, sollte sich darüber im Klaren sein, dass nach einigen Jahren Abstinenz der Spitzenerzeuger das Image des Labels „Cru Bourgeois“ so ruiniert sein könnte, dass es dann überhaupt keinen Sinn mehr ergibt, noch teilzunehmen. Die Haltung „erst mal abwarten“ hat etwas von einer selffulfilling prophecy.

    • Sich nur in den Schmollwinkel zu stellen macht keinen Sinn und kann sogar gefährlich sein, wenn berühnmte und bekannte Chateaux nicht mehr mitmachen. Frédéric Le Clerc von Tour de By genau deshalb weiter im Verband und will auch weiter an den Diskussionen teilnehmen, wie er gestern sagte. Er hält eine Überarbeitung des Prozedere nicht für ausgeschlossen.

      Denn das die Diskussion weiter geht, ist klar: erst letzte Woche ist Thierry Gardinier, Chef von Phelan-Segur vom Vorsitz des Cru Verbandes zurückgetreten. Sein Chateau ist auch nicht mehr in der Klassifikation.