Jetzt ist wieder die Zeit intensiven Verkostens: der neue Jahrgang ist da und bis zum März muss die Preisliste fertig sein.
Bei vielen Weinhändlern und insbesondere bei den Einkäufern kommt im Januar/Februar von daher gerne etwas Stress auf – von dem die Kunden wenig mitbekommen.
Es geht jetzt nicht nur um die neuen Qualitäten, sondern auch um die neuen Preise. Wer gut verhandeln will, muss fit sein: wie war die Ernte im letzten Jahr in der Region, wie tendieren die Preise, was machen die Mitbewerber? Vor allem bei Preisveränderungen gilt es zu checken, ob der Wein mit dem neuen Preis noch in die Linie paßt oder eine Preisschwelle überschreitet.
Was tun, wenn der 4,95 € Wein nach der neuen Kalkulation bei 5,14 € liegt? In der Pricing-Theorie wird davon ausgegangen, das der Kunde extrem auf die Zahl vor dem Komma achtet. Das ist der Grund, warum man in unserem Beispiel eher einen 4,99 – Preis macht, als 5,19 Euro. Der Unterschied macht nur 20 Cent, aber die Optik ist eine ganz andere! Und die ist beim Kauf, wo man sich relativ schnell entscheiden muss, wichtig. Es könnte also zu Absatzverlusten kommen. Eine Strategie wäre, dem Lieferanten klar zu machen, daß die Preiserhöhung nicht funktioniert.
Eine andere, den Preis gleich noch einmal anzuheben und auf 5,49 oder höher zu gehen. Diesen Preis sieht der Kunde als „5 Euro plus irgendetwas„. Ihm ist es relativ egal, ob der Wein 5,19 oder 5,49 oder 5,69 kostet. Und dem Händler erlaubt er, einen Teil des Absatzverlustes durch eine höhere Marge wettzumachen. In dieser Strategie liegt sicher das größere Risiko – denn niemand kann sagen, wie der Kunde tatsächlich reagiert. Dazu spielen zu viele weitere Faktoren eine Rolle.
Übrigens: die meisten Weinhändler arbeiten nicht mit Cent-Preisen wie 5,99 oder 6,59. Sie tun gut daran! Denn das macht nicht nur das Wechselgeld-Handling einfacher, sondern es schont auch das Image.
Wein ist in den Augen der Fachhandels-Kunden ein wertiges Produkt, mit dem sie sich gerne beschäftigen – und ein solches Produkt hat extreme Preise nicht nötig. Und wenn doch – so vermutet der Kunde – stimmt vielleicht etwas mit der Qualität nicht. Der amerikanische Pricing-Guru Robert Schindler hat dieses Phänomen ausführlich untersucht.
Preisschwellen oder Cent-Preise sind nur zwei kleine Aspekte der Preisgestaltung – Pricing ist eines der spannendensten Handelsthemen. Es wird unter anderen wieder im Sommersemester bei den Weinbetriebswirten in Heilbronn Thema sein! Ich freu mich drauf!
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