Zwar wurde „Betrug“ gerufen, von „bezahlter PR“ und „Etikettenschwindel“ war beim Erscheinen des neuen Falstaff Weinguide die Rede. Das Ganze langte aber allenfalls zu einer kurzen Erregung in Facebook Threads bei Dirk Würtz und Mario Scheuermann.
Die sich dort beharkten, waren fast alle Insider der Wein-Online- und Printmedien, die irgendwo um Aufmerksamkeit beim gleichen Publikum buhlen.
Ein neues Geschäftsmodell
Der neue Guide ist sicher im Vergleich mit anderen Publikationen etwas schwachbrüstig (inklusive Index 386 Seiten) vor allem probiert er aber ein neues Geschäftsmodell aus. Wer laut Vernehmen als Winzer 500 Euro ausgibt, bekommt eine eigene Seite mit Etikett, kurzer Vorstellung und ausführlicher Besprechung von vier Weinen. Wer das nicht tut, erscheint mit Anschrift und seinen beiden bestbenoteten Weinen lediglich im Tabellenteil. Zahlende Produzenten sind auch im Tabellenteil noch einmal hervorgehoben, indem die Eintragung farbig unterlegt ist.
Die Aufregung unter den Profis ist auf der einen Seite verständlich, denn mit dem hehren Verständnis von Journalismus im Sinne von Unabhängigkeit und einer „klaren Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken“ (Pressekodex Ziffer 7) hat der Falstaff Weinguide nichts zu tun. Es findet sich kein Hinweis auf das Bezahlmodell.
Andererseits will der Guide auch kein journalistisches Erzeugnis sein, sondern er versteht sich als „Ratgeber“ und will eine „Auswahl besonders empfehlenswerter Weine“ vorstellen. So habe ich zumindest die einleitenden Worte von Axel Biesler auf Seite 49 verstanden. Dagegen ist nichts einzuwenden – schade ist aber, dass das spezielle Geschäftsmodell des Weinguide nirgendwo Erwähnung findet. Denn in der Tat erwartete man bisher von einem Guide etwas anderes.
Einer der Diskutanten auf Facebook meinte dazu: „Natürlich erwartet ein Käufer ein kritisches Produkt, wenn er einen Guide oder Einkaufsführer kauft, denn sonst könnte man sich ja auch mit dem Edeka-Weinkatalog zufrieden geben“. Da muss man ihm rechtgeben – das hatte sich so eingebürgert.
Zukunft von Print im Wein wird immer ungewisser
Trotz allem: der Falstaff Guide passt in die Landschaft der Wein-Printmedien. Und er wird Nachahmer finden. Der Gault-Millau war 2009 noch mit einem Versuch gescheitert, sich von den Erzeugern einen noch größeren Teil seiner Arbeit direkt honorieren zu lassen.
Die Situation ist aber auch zu vertrackt: das Anzeigen Volumen ist rückläufig und immer weniger potentielle Käufer interessieren sich beispielsweise für Wein-Zeitschriften. Deren Abonnentenzahlen und Kioskverkäufe befinden sich trotz inhaltlicher und personeller Relaunch-Versuche seit Jahren in freiem Fall. Ein großer Teil der Auflage liegt zum Mitnehmen in irgendwelchen Weinläden oder Restaurants aus – da ist man vom EDEKA Weinkatalog gar nicht soweit entfernt – den gibt’s auch umsonst.
Symbiose von Erzeugern und Wein-Medien
Andererseits leben Zeitschriften und Führer auf der einen Seite und Erzeuger auf der anderen in einer engen Symbiose miteinander und sind aufeinander angewiesen. Die Erzeuger brauchen Punkte, Bewertungen, Besprechungen und Reportagen, um ihren Stellenwert zu dokumentieren und ihre Preise zu rechtfertigen – die andere Seite braucht die Erzeuger als den Gegenstand und Mit-Finanzier ihrer Publikationen …
Selbst bekannte Weingüter zitieren seitenweise in ihrer Aussendarstellung die Beschreibungen und Urteile der Guides.
Dazu kommt noch der Handel, der Punkte und Bewerungen gerne für seine Werbung einsetzt. Wein in Black hat die relevanten Führer, auf die man sich gerne beruft, einmal aufgelistet: es sind insgesamt 18 verschiedene Quellen.
Die Discounter haben das Modell sofort verstanden – sie verkauften den entsprechenden Führer gleich im Pack mit ihren Weinen.
Was spricht gegen ein Bezahlmodell?
Was spricht in dieser Situation, da ja – schaut man sich die Zahlen an – sowieso im Prinzip nur für die Branche produziert wird, gegen ein Bezahlmodell a la Falstaff?
Weil es bisher auch anders gegangen ist? Das heißt nicht, dass es immer so weitergehen muss. Paid content bei Zeitungen war vor kurzem noch unvorstellbar – und trotzdem wird es, ausgelöst durch BILD und WELT im kommenden Jahr einen deutlichen Rutsch in Richtung bezahlte Medien geben.
Weil die Glaubwürdigkeit leidet? Die anderen Führer brauchten an ihren Präambeln noch nicht einmal etwas zu ändern – auch hier heißt es, der Führer biete eine „Einführung“ oder ein Werkzeug „um für sich selbst die besten Tropfen zu entdecken“. Das kann beides sehr subjektiv sein. Nirgendwo ist von objektiven, absoluten Werten die Rede.
Weil die Winzer nicht bezahlen wollen? Der Falstaff beweist, dass sie es doch tun.
Weinmedien und Führer – ein B-2-B Markt
Da wird in der Führer-Branche jetzt vielleicht noch der eine auf den anderen zeigen oder unterschwellig Stimmung machen. Schlau wäre es, es nicht zu tun – das ließe für alle Beteiligten mehr Spielraum. Selbst in der zuweilen diskussionswütigen Online-Öffentlichkeit war die Resonanz auf die beiden Artikel zum Thema spärlich, nach einer Woche kein Kommentar bei Eckhard Supp und nur 3 Bemerkungen bei Dirk Würtz.
Letztendlich wird die Branche entscheiden, welche Zeitschriften und Führer sie braucht und welche sie sich für ihre Eigendarstellung auf Dauer leistet. Klar ist, dass es dabei immer weniger um Inhalte gehen wird. Vielleicht ist dieser seit Jahren schleichende Prozeß – immer mehr hin zum PR-Organ der Branche – einer der Gründe für den Niedergang der Weinpresse.
14. Januar 2014 um 16:39
500 Euro sind aber auch heftig. Wenn es da einige Weinführer geben sollte, die das so machen, kommt für einen kleinen Winzer einiges zusammen, wenn man dabei sein will.
17. Dezember 2016 um 20:41
Naja, Restaurant Guides lassen sich die Einträge auch teuer bezahlen, schaffen es aber doch unabhängig zu bewerten…