So kann man es auch machen – die Bahn befragt zur Zeit ihre Online-Kunden zu ihrem Social-Media Auftritt. Ich muss gestehen, erst durch diese Befragung habe ich von den Aktivitäten der Bahn auf Twitter erfahren!
Tatsächlich gibt es einen Account unter DB_Bahn. „Hier antwortet das Twitter-Team der DB auf alle servicerelevanten Fragen zum Personenverkehr“ heisst es dort.
DB Bahn hat 11.682 Follower und sie folgt genau 11 Personen! Interessanterweise nicht nur DB Angeboten wie „call a bike„ oder „flinkster.de“ sondern auch der Lufthansa. Das kann man ja noch verstehen – aber warum folgt sie auch „Telekom_hilft“ und „TelekomKarriere„? Ist hier ein Bahn-Mensch auf Jobsuche oder möchte man einfach nur sehen, wie andere es richtig oder falsch machen? Ist den Bahn-Twitterer nicht klar, daß ihnen jederman bei ihren Aktivitäten zuschauen kann? Wen’s interessiert: man hat sich vorher wohl viele Gedanken gemacht – wie so oft, scheint dann aber der Alltag ganz anders zu funktionieren. Hier ist sicher auch die beratende Agentur gefordert – der Teufel steckt eben im Detail und ist vielleicht im großen Entwurf nicht vorgesehen.
Radio Eriwan läßt grüssen
Manche Dialoge erinnern ein bißchen an Radio Eriwan. Beispiel – Frage: Warum muss es in euren ICEs eigentlich immer so saukalt sein? Ich sitz hier und wünschte ich hätte eine Decke dabei. Antwort: Regulierung der Klimaanlage unter Berücksichtigung der Wünsche aller Reisenden ist sehr schwierig. Bitte Info an das Zugpersonal.
So wie bei der Telekom fragt man sich, wozu der Twitter Account gut sein soll? Es sollte sich doch mittlerweile herumgesprochen haben, daß der Kanal für die Many-to-One Kommunikation nur bedingt tauglich ist. Tagtäglich kommen hundertmal die gleichen Fragen, die online schon an anderer Stelle beantwortet wurden.
„Bitte keine persönl. Daten über Twitter senden!“ mahnt die Bahn mehrfach auf ihrer Twitter-Seite. Sie selbst ist aber in ihrer Befragung ganz schön neugierig – man möchte wissen, wie lange sich die Interviewten beruflich und privat im Internet aufhalten, welche sozialen Netzwerke sie besuchen und was sie dort machen. „Aus welchem Grund folgen Sie Marken / Unternehmensprofilen? Geht es dabei um Neuigkeiten, Angebote oder den Online-Dialog mit der Firma?“
Sind Unternehmen in Social Media erwünscht?
Ein bißchen scheint sich auch die Bahn mit aktuellen Diskussionen im Internet auseinandergesetzt zu haben, so heißt eine Frage: „Soziale Netzwerke / Foren sollen frei bleiben von Unternehmensdarstellungen / -ansichten, da sie für die private Nutzung gedacht sind“ „Stimme voll und ganz zu – Stimme überhaupt nicht zu – Weiß nicht“. Auf der gleichen Seite wird auch gefragt, ob die Kunden erwarten, große Unternehmen mit eigenen Profilen in Social Media zu finden und was von den Unternehmen dort erwartet wird.
Von der Bahn selbst gibt es einen zur Zeit wohl inaktiven Facebook-Auftritt, der zum Verkauf der Chef-Tickets in 2010 gedacht war. Dort kann man auch lesen, wie die Bahn selbst ihre Social Media Erfahrungen beurteilt. Zitat: „etwa 80% der Posts und Kommentare bestanden aus sachlichen Fragen oder Lob für unsere Aktion. Natürlich haben wir auch den anderen 20% gut zugehört und auch wenn selbst Facebook keinen Zug schneller fahren lässt, so haben wir Wünsche … deutlich wahrgenommen“. Waren es zuviel Wünsche – oder warum ist das Profil jetzt geschlossen? 67.113 Personen gefällt das.
Was wirklich passiert, wenn die Bahn einen solchen Kanal öffnet, läßt sich auf diesem mutmaßlich gefakten Profil der Deutschen Bahn AG nachlesen. Ärger über Verspätungen, dauerbesetzte Hotlines, marode Infrastruktur, kaputte Züge oder Stuttgart 21 macht sich dort in manchmal recht rüden Worten Luft. Wie im richtigen Leben halt.
Alles wie im richtigen (Bahn-) Leben
Aber auch auf Twitter geht es wie im richtigen Bahn-Leben zu: die Kunden haben Fragen – Antworten gibt es „Mo-Fr 6-20 Uhr“. Wer fährt denn schon am Wochenende mit der Bahn?
„Das Twitter-Team verabschiedet sich und wünscht Ihnen ein schönes Wochenende“ ist dann auch folgerichtig der letzte Tweet vom Freitag.
„Der Onlinevertrieb der Bahn (bahn.de) ist innovativ“ heißt es zum Schluss der Online-Befragung. Das so einfach mit Schulnoten von 1 bis 6 zu beurteilen, finde ich schwierig. Am besten, noch einmal mal drüber nachdenken und dann das Ganze auf Anfang setzten.
30. Oktober 2011 um 16:55
Ich hab von dem Twitter-Acount auch erst durch die Befragung erfahren…. Tja ja: Befragung als PR ist halt auch eine Strategie…. ;)
30. Oktober 2011 um 18:08
Nicht schlecht beobachtet. Die Bahn scheint von den „klassischen“ Social Media Beratern der PR Branche in die vermeintliche Zukunft geführt zu werden. Es dürfte eine Herausforderung sein, als Deutsche Bahn alle notwendigen Einzeldisziplinen und Abteilungen auf einen gemeinsamen Prozessnenner zu bringen. Da muss man schon ein wenig länger planen können als bis zur nächsten Kampagne…
30. Oktober 2011 um 19:27
Die Bahn sollte vielleicht zuerst einmal ihr Netz in den Zügen stabil machen, bevor sie herumquält. Von München bis Passau gestern so gut wie nur rausgeflogen. Wenn das einmal quer durch Deutschland funktioniert, beantworte ich denen auch die Fragen ;-)