„Bis 2015 wird es fast nur noch elektronische Medien und Nachrichten geben“, schrieb vor einigen Wochen Steve Rubel, Amerikas Alpha-Blogger und „digital marketer“ in seiner Kolumne in AdAge, dem Pendant von W&V in den USA.
Er führt für seine provokante Behauptung drei Haupt-Argumente an: zunehmendes ökologisches Bewußtsein = keine kostbaren Resourcen für so etwas Flüchtiges wie tagesaktuelle Nachrichten oder Bücher verschwenden, Smartphones werden potententer und günstiger = jeder trägt bald die Rechenleistung eines PCs und einen Internetanschluss in der Westentasche mit sich, ab 2010 werden (zumindest in den USA) die „ever-digitals“ den größten Anteil an der Bevölkerung stellen, diejenigen, die mit Computer und Internet großgeworden sind.
Als Beweise für seine Thesen führte er den (unerwarteten) Erfolg des amazon kindle, des neuen elektronischen Readers von amazon an: das Gerät ist bis Anfang März ausverkauft. Zur Zeit sind mit Kindle 170.000 Bücher und jede Menge Zeitschriften abrufbar. Darunter auch alle Titel der Bestseller-Liste der New York Times. Das Angebot wächst täglich. Microsoft und Apple bringen neue Spiele für die x-box und i-phone / i-pod nicht mehr auf DVDs, sondern nur noch online heraus und Zeitschriften wie der Christian Science Monitor stellen ihre Print-Ausgabe ein und erscheinen elektronisch.
Das auch bei uns eine digital und online orientierte Jugend heranwächst, konnte man jüngst unterm Christbaum verifizieren. Oliver Lederle, Geschäftsführer von MyToys benannte in der Wirtschaftswoche (52/2008) die meistnachgefragten Spielzeuge: Lernspielzeug und Video-Games sind jetzt auch bei Mädchen Top! Und als vor dem Brandenburger Tor der Coca-Cola Weihnachtsmann den welt-längsten Wunschzettel mit den Wünschen von zig-tausend Jugendlichen aus der ganzen Republik über die Köpfe der 250.000 Fans auf die Reise schickte; was durfte man lesen? Neben ein bißchen Frieden für alle, wird nichts mehr ersehnt, als die Produkte von Apple, Microsoft und Co. Im Übrigen hat das Internet in den USA bei den Jugendlichen mit dem Fernsehen als Informations- und Unterhaltungsmedium gleichgezogen. die Print-Medien sind weit abgeschlagen. In den USA liegt auch der Online-Anteil beim Musikabsatz schon bei 30%, in Deutschland bei 8%. „Ein enormes Potential“ war als Aussage von Stefan Michalk, Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie, am 29. 12. in der Süddeutschen zu lesen.
Kurz vor Weihnachten hat Steve Rubel dann noch einmal nachgelegt und drastisch die Folgen der digitalen Revolution skizziert: „Reichweite“ wird seine Bedeutung als Messgröße für Anzeigenpreise verlieren = digitale Medien gehorchen anderen Gesetzen, Werbung wird immer situativer und persönlicher = das Ende der „Kampagnen“, Google wird noch dominater = mit der Digitalisierung alter Zeitungen und Zeitschriften findet Google den Weg von der reinen Suchmaschine zum digitalen Nachrichten-Archiv.
Vielen Diskussionsteilnehmern war Steve Rubels Zeithorizont 2015 zu kurz gefaßt, auch wird von einigen das Beharrungsvermögen der Print-Medien als größer eingeschätzt. Trotzdem sind sich alle einig: das Ende der klassischen Medien-Welt, wie wir sie kennen, ist absehbar. Ein bißchen erinnert die Diskussion an die Kork-oder-Schraubverschluss Debatte in der Weinwelt: während auf der einen Seite noch geredet wird, hat der Markt längst Fakten geschaffen.
PS deutsche Medienmacher bestätigen die Thesen aus den USA. Wie sie diese Entwicklungen beurteilen, hier in einem Beitrag bei turi.tv vom 31.12.