Das Dorf ist ein einziger Rummel. Zumindest an diesem Samstag Anfang Mai ist es mit der Ruhe und Abgeschiedenheit in Calce vorbei. Ganze 185 Einwohner hatte der Ort in den Fenouillèdes, im Fenchelland im Roussillon, bei der letzten Volkszählung.
Heute sind die kleinen Straßen verstopft und manch einer muss schon draußen auf der D 18, der einzigen Zufahrtstrasse zum Dorf, anhalten, um einen Parkplatz zu bekommen. Was die Leute anzieht, ist der Wein. Zum siebten Mal haben die sechs Verrückten aus Calce in ihren Ort und in ihre Keller eingeladen. Daraus ist ein Fest mit Wein, Essen, Bauernmarkt und Musik geworden. „Les caves se rebiffent“ – ist schon Tradition in der Region. Und auch weit darüber hinaus – selbst im Gault Millau findet sich eine Ankündigung.
Den Titel für die Veranstaltung haben sich die Winzer von einem Roman geborgt, der in den 60ern zum Kultfilm wurde: die Geschichte handelt vom kleinkriminellen Geldfälscher Max. Deshalb posiert man auf einem Fahndungsplakat.
Am Anfang war Gérard Gauby
Angefangen hatte in Calce alles mit Gérard Gauby. Die Gauby’s waren schon seit Generationen Winzer. Ihre Trauben hatten sie bei der Coop abgegeben. In den 8oer Jahren entschloss sich Gérard selbst Wein auszubauen – in seiner Garage. 1985 war die erste Ernte. Mit fünf Hektar fing es an – der Rest ist bekannt. Sein Muntada hat Kultstatus und wird für 60 Euro gehandelt.
Gauby hatte einen starken Einfluss – und er hat viele Leute angezogen, die sich später auch selbstständig machten oder seine Gedanken weitertrugen. Jean Philippe Padie war Kellermeister bei ihm, für Olivier Pithon „vigneron à tout faire“ war er Vorbild. Auch familiäre Bande spielen eine Rolle: Tom Lubbe von Clos Matassa ist mit Gauby’s Schwester zusammen, Thomas Teibert von Domaine de l’Horizon mit seiner Tochter verheiratet…
Das Preis/Qualität-Verhältnis ist einzigartig
Was macht das Besondere an den Weinen der Region aus? Der Autor André Dominé, der seit dreißig Jahren im Roussillon wohnt und die Entwicklung in Calce miterlebt hat, meint: „Das Faszinierende sind der deutliche Charakter des Süden gepaart mit viel Frische.“ Und zum anderen, dass man den reellen Gegenwert für sein Geld bekommt: in einem Wein für 5 Euro steckt auch Arbeit, die die 5 Euro rechtfertigt – und in einem Wein für 15 Euro steckt eben das Äquivalent für 15 Euro. Da sei eines der Prinzipien, mit denen die neuen Winzer damals angetreten seien und dem sie bis heute treu geblieben sind. Hier muss nicht für Marketing-Schnickschnack bezahlt werden. Die besonders gute Preis/Qualität-Relation sei der „Ehrlichkeit“ der Winzer zu verdanken.
Dominé kam vor unserem Gespräch gerade von einer Reise durch Finnland und Schweden zurück, bei der er zahlreiche Tastings für den Verband durchführte. „Die Skandinavier verstehen viel von Wein. Sie setzen sich ernsthaft damit auseinander und sind über die Qualität der Weine erstaunt“ sagt er. Eine Erfahrung, die er bei vielen solcher Reisen gemacht hat. Die Languedoc/Roussillon-Weine seien immer noch viel zu unbekannt. Daran gelte es zu arbeiten.
Flaggschiffe sind Leuchttürme
Wie wichtig sind Leute wie Gérard Gauby für die Region – wobei Gauby nur ein Beispiel ist? fragte ich Matthew Stubbs Master of Wine und ehemaliger Safeway-Einkäufer, der sich seit fast 10 Jahren dem Süden verschrieben hat und dort lebt. „Die Flagschiffe sind sehr wichtig, weil sie zeigen, was in der Region möglich ist und weil sie spontan überzeugen.“ Er ist sich sicher, das Languedoc/Roussillon wird die nächste „klassische“ Wein-Region Frankreich – die Entwicklung lasse sich gut mit der weiter nördlich an der Rhône vergleichen. Die Weine von dort seien vor 20 Jahren auch vielfach unterschätzt worden – heute seien sie Klassiker.
Wenn die Rhône tatsächlich als Vorbild herhalten soll, müssen die Jungs in Calce noch eine Weile durchhalten!
Im ersten Teil des Artikels: Ende oder Wende – Frankreichs Süden im Umbruch und im dritten Teil Starke Männer und Frauen versus gewachsene Strukturen
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