Im Londoner Stadtteil Fulham kocht die Volksseele: keine neuen Kneipen-Konzessionen mehr und härteres Vorgehen gegen Alkoholexzesse. Der Evening Standard läßt gestern Bezirks-Stadtrat Greg Smith zu Worte kommen: „Die Anwohner haben die Nase voll von betrunkenen Idioten, die in ihre Vorgärten kotzen und nächtens wie die wilde Jagd durch die Strassen heulen oder in aller Öffentlichkeit übereinander herfallen.“ Vorige Woche hatte sich der Bezirk für eine Verschärfung der Anti-Alkohol-Maßnahmen ausgesprochen.
Fulham, das im Einzugsbereich des Chelsea-Stadions liegt, hat oft unter den randalierenden Fußball-Fans zu leiden. Jetzt sollen limitierte Ausschankzeiten und ein Bezirks-Kneipenverbot Abhilfe schaffen: wer in einem Pub Hausverbot bekommen hat oder der Polizei aufgefallen ist, soll für den ganzen Bezirk Kneipenverbot bekommen. Zuwiderhandlungen werden mit empfindlichen Geldbußen geahndet. Selbst Gastwirte begrüßen diese Maßnahme: „Das wird die Radau-Brüder fernhalten. Die können dann nämlich nicht mehr ins nächste Pub ziehen und dort weitermachen. Da gibts einen Domino-Effekt: für die ist dann überall geschlossen. Wir hoffen, daß sie dann ganz wegbleiben“, wird Ben Chapman von der Elk Bar zitiert. Es sieht ganz so aus, als würde schon im Februar aus dem Test Ernst werden. Der Bezirk könnte nach der derzeitigen Rechtslage auch den Verkauf von Alkohol in Kiosken oder Lebensmittelläden untersagen. Auch dafür stehen die Chancen gut, ginge es nach Volkes Meinung.
In wenigen Monaten wird in Großbritannien gewählt. Die Konservativen um David Cameron gelten als haushohe Favoriten. Am Montag verkündeten sie unter großem Beifall ihr Anti-Alkohol-Programm für die Zeit nach einer Regierungsübernahme. Noch im Herbst 2009 hatten sich die Torries gegen Werbeverbote und Restriktion ausgesprochen. Jetzt liest sich das alles ganz anders.
„It’s time we took back control of our town and city centres on a Friday and Saturday night, and turned them back into places where people can have a good night out without the fear of being caught up in a culture of binge drinking and anti-social behaviour“ sagt Schatten-Innenminister Chris Grayling auch auf den Seiten seiner Partei. Nationale Wiedereinführung der restriktiven Ausschankzeiten (jeder kennt noch den last-order-gong), höhere Alkoholsteuern, weitreichende Vollmachten der Polizei und Geld- und Haftstrafen von bis zu 50.000 GBP oder 6 Monaten Haft für Gastronomen, die sich nicht an die neuen Regeln halten und zum Beispiel Betrunkenen weitere Drinks verabreichen. „Schluß mit der Sauf-Kultur, die uns die Linken beschert haben!“
Man denkt auch daran, zu den alten Licensing-Regeln zurückzukommen, die die Fulhamer vielleicht schon Ende des Monats beschließen: der Verkauf von Spirituosen, Alcopops, Cider und eventuell auch Bier soll im Lebensmittelhandel dann nur noch in speziellen Abteilungen zu eingeschränkten Zeiten möglich sein. Auch im Fachhandel sollen alte Beschränkungen wiederauferstehen.
All diese Maßnahmen wären das Ende einer Strategie, die auf Vernunft, Aufklärung, Überzeugung und Verhaltensänderung setzt. Würde man in Deutschland die Menschen befragen, würde sich eine ähnliche Zustimmung für schärfere Maßnahmen wie in Großbritannien ergeben. In Berlin zum Beispiel liest man tagtäglich ausführlich über Alkoholexzesse in der Presse. Schaut man sich dazu die Kommentare an, ist das Ergebnis eindeutig.
Wie lange braucht die Branche bei uns noch, um zu begreifen, daß sie selbst handeln muß? Die Partner in der Politik, die heute noch unsere Freunde sind, können sich von heute auf morgen ganz anders besinnen: die Torries auf der Insel geben ein beredtes Beispiel.
Pingback: Tweets die Letter from London: Bürger fordern Alkoholverbote – Torries wollen hohe Strafen einführen erwähnt -- Topsy.com
24. Februar 2010 um 00:16
Wenn wir nur einmal die Gastronomie in Deutschland nehmen, dann ist eine weitere Reglementierung m.E. nicht förderlich.
Ein Verbot sogenannter „Flat-Rate-Partys“ macht sicher noch Sinn, doch erhöht der (politische) Druck ansonsten nur die Frustration der ohnehin schon häufig gebeutelten Gastronomen.
Druck erzeugt Gegendruck und das Umgehen irgendwelcher Vorgaben ist ja nun mal nicht nur bei Anlegern auf schweizer Nummernkonten ein Hobby des deutschen Michels.
Dem „kleinen“ Gastronomen mangelt es an Ideen und naturgemäß an Geld, sein Klientel heranzuziehen. Und genau hier ist bei uns die Branche gefragt.
Synergien werden immer wichtiger.
„Trinkt rot weiß für Eure Löwen“ – jeder KiBa spült 10 cent in die Vereinskasse.
„Wasser lassen – Wasser trinken“ tut es Euren Helden gleich.
„NO DOPE im Sport – KEIN ALK in der Südkurve“ Wir gehn voran…
Die Branche muß klientelbewußter werden, muß Ideen entwickeln, die auf Kunden und Konsumenten zugeschnitten sind, muß Synergien wollen und neue Konzepte stets den Gegebenheiten anpassen.
Nur so kann man vorbeugen, doch gilt es dafür, auch etwas Geld in die Hand zu nehmen.
15. Oktober 2011 um 23:32
Articles like this really grease the shafts of knloedwge.