Was man alles selbst gegen härtesten Widerstand erreichen kann, zeigt ein Besuch bei der Portman Group in London. Das Thema ist auch in Deutschland bestens bekannt: Alkoholprävention.
Anders als bei uns, hat in Großbritannien die Wein- und Spirituosen-Branche die Sache selbst in die Hand genommen. 1996 gründeten die 9 größten Spirituosen-Hersteller die Portman Group als Think-Tank in Fragen verantwortungsvoller Verpackung, Werbung und Promotion. Das Büro sollte die verschieden Aktion seiner Mitglieder hinsichtlich verantwortungsvollem Umgang mit Alkohol koordinieren und in der Öffentlichkeit als Vertreter der Branche auftreten.
Der von der Portman Group entwickelte und im Lauf der Zeit immer wieder verbesserte „Code of Practice“ ist heute die allgemeine und verbindliche Richtlinie in Großbritannien, wenn es um Namensgebung, Verpackung und Vermarktung alkoholischer Getränke geht. Obwohl von der Industrie
finanziert, wirkte die Portman Group seit 1996 aktiv darauf hin, dass mehr als 70 nichtkonforme Produkte vom Markt genommen wurden. Sie war an der Umsetzung der gemeinsam vereinbarten Richtlinien in der Werbung ihrer Mitglieder beteiligt. Das führte dazu, dass heute in GB keine Werbung mehr für alkoholische Getränke im Zusammenhang mit Gewalt, Sex, gesellschaftlichem Erfolg, Auto, Kindern und Jugendlichen zu sehen ist. Die Liste der „Vorher-Nachher“ Beispiele ist lang. Beim Jahrestreffen der WSET Kursanbieter in London zeigte David Cox (damals noch Marketing-Direktor von Brown-Forman) einige interessante Beispiele. Der Eindruck: in UK ist die Industrie in vielen Punkten weiter, als die Gesetzgebung in vielen anderen Ländern.
2006 gliederte die Portman Group ihren Bildungs- und Trainingsbetrieb aus und gründete den vollkommen unabhängigen „Drinkaware Trust“. Eine unabhängige Stiftung ist glaubwürdiger, als wenn die Industrie selbst in Schulen, Jugendclubs, etc tätig wird. Auch gegenüber der Regierung wurde durch die Ausgründung des Drinkaware Trusts die Ernsthaftigkeit des Anliegens unterstrichen. 2007 – 2009 unterstützte die Industrie den Drinkaware Trust mit über 6,3 Mio GBP. Im ersten Jahr des Bestehens wurden mehr als 3,5 Millionen Personen direkt durch die Stiftung angesprochen.
Zusammen mit der Regierung wurde die Einführung von Warning-Labels in Angriff genommen. Darüber hinaus führte die Branche weitere freiwillige Kennzeichnungen ein, wie erweiterte Verbraucherhinweise über den Alkoholgehalt eines Drinks und die gesundheitlich unbedenkliche Tagesmenge.
Michael Thompson, Pressesprecher der Portman Group sagte in einem Gespräch: „Wir fordern die Verbraucher auf, sich bei uns zu melden, wenn Ihnen Verstöße gegen unsere Richtlinien auffallen oder wenn sie meinen, der Handel mache nichtzulässige Angebote. Wir haben dafür gesorgt, dass der Beschwerdeweg vollkommen offen und transparent ist. Darin liegt eine der Stärken des Verfahrens.“ Thompson sagte auch, dieses sehr öffentliche und konsequente Handeln habe die Regierung überzeugt, mit der Portman Group zusammenzuarbeiten, also mit der Branche zusammenzuarbeiten.
Vorfahrt vor Gesetzen sollen selbstregulierende Maßnahmen der Branche haben. Ein gutes Beispiel, wohin verhärtete Fronten und mangelnde Kooperation führen können, sieht Thompson in der Glücksspiel- und Wettbranche: die Regierung hatte auf das Beispiel der Wein- und Spirituosen-Industrie verwiesen und erwartet, dass freiwillige Regeln zustande kämen. Als es aber zu keinerlei brancheninternen Vereinbarungen kam, wurde eine Strafsteuer auf Glücksspiele und Wetten erhoben.
Ganz wichtig sei es, so Thompson, mit einer Stimme zu sprechen: „Der Gesetzgeber kann nicht zwischen gutem und schlechtem Alkohol unterscheiden. Daher sind Brauer, Wein- und Spirituosen-Leute gleichermaßen gefordert. Je geschlossener man ist, desto glaubwürdiger und überzeugender kann man auftreten. Und mehr Geld für Kampagnen kommt auch zusammen. Das ist die Chance um aus der Defensive in eine aktive, gestaltende Rolle zu kommen.“
So ist sich die Portman Group nicht zu schade, dort wo es nötig ist, auch den Staat in seine Verantwortung zu rufen. „Wenn es bei Sportereignissen oder zu Krawallen mit Alkoholbeteiligung kommt oder wenn es um alkoholisierte Jugendliche geht, ist es Aufgabe der Polizei einzuschreiten und ihre Arbeit zu tun.“
„Die große Mehrheit hat kein Problem, trotzdem sollte sie bewusst mit Alkohol umgehen. Wir sehen es als unsere Aufgabe, langfristig auf einen kulturellen Wandel im Umgang mit Alkohol hinzuwirken. Wir wissen, dass 50% des Alkohols von nur 7% der Bevölkerung konsumiert wird. Das ist ein ganz anderes Problem: Dort sind Mediziner und Sozialarbeiter, dort ist der Staat gefordert. Aber deswegen jeden Genießer kriminalisieren, das wäre die falsche Politik!“ so Michael Thompson.
Die Branche hat sich mit der Portman Group in UK eine gesellschaftlich anerkannte Institution geschaffen. Zur Zeit geht es darum, auch für den Handel ein Regelwerk zu erstellen. Damit wäre dann von der Herstellung über die Vermarktung und, soweit es geht, auch die Verbraucherinformation in den Händen der Branche.
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