Ziemlich gut – wenn denn die Voraussetzungen gegeben sind. Das könnte die Zusammenfassung der Diskussion von Studenten des Faches Weinbetriebswirtschaft an der Hochschule Heilbronn mit Christian Geling und Manfred Kutscher sein. Am vergangenen Freitag standen die beiden EDEKAner im Seminar Weinhandelsmarketing Rede und Antwort. Christian Geling betreut bei Schmidt’s Märkte im äußersten Süd-Westen Baden-Württembergs 12 Märkte, darunter einen Markt in Bad Säckingen mit einer 150 m² großen Weinabteilung, 1.500 Weinen, Verkostungsmöglichkeit und Wein-Club. Manfred Kutscher ist für die Weinabteilungen der EDEKA Südwest verantwortlich. Sein Einsatzgebiet reicht von der Mosel, über die Pfalz, Baden bis zum Bodensee. Die Studenten hakten bei den neuralgischen Punkten nach:
Sortiment
Die Annahme, der Lebensmittelhandel habe ein eindimensionales, uninteressantes Sortiment, erwies sich schnell als Vorurteil. Zumindest, was die Verantwortung der beiden Diskussionspartner anging. 60% der Weine bei Schmidt’s Märkte werden direkt vor Ort eingekauft, nur etwas mehr als ein Drittel läuft über die EDEKA Zentrale. Selbst die knapp 80 Kilometer zwischen Bad Säckingen im Rheintal und dem Markt in Titisee-Neustadt auf dem Hochschwarzwald machen einen großen Unterschied. Am Hochrhein werden Weine aus dem Markgräfler-Land und vom Bodensee nachgefragt – auf dem Schwarzwald sind es mehr Kaiserstühler und Württemberger. Das hat mit der Tradition und den Handelswegen in der Region zu tun. Entsprechend unterschiedlich sind die Sortimentsschwerpunkte in den Märkten.
Für Herrn Kutscher ist es eine Sebstverständlichkeit, daß an der Mosel die Weine von dort im Vordergrund stehen, genauso wie im Schwabenland Trollinger und Schwarzriesling viel Platz im Regal einnehmen. Das führt dann dazu, daß im Südwesten über 10.000 Weine zu betreuen sind, was sicher eine Herausforderung ist.
Solch eine auf die jeweilige Region abgestimmte Feinarbeit leisten sich selbst die großen Fachhandles-Ketten wie Jacques‘ oder Vino nicht. EDEKA sei allerding im LEH eine Ausnahme, weil man sich die Regionalität mit allen Konsequenzen auf die Fahnen geschrieben habe, meinte Kutscher.
Preis
Je preisgünstiger die Produkte, desto größer sei auch das Preis-Interesse der Käufer und desto eher reagierten sie auf Preisveränderungen. Das sei beim Wein genau so, wie in jeder anderen Produktgruppe.
Da kämen dann die Kunden und fragten nach dem 2,49 Rotwein, daß der aus Mazedonien komme sei absolut nachrangig. Das Marketing in der Preis-Einstiegszone laufe nur über den Preis. Die Preisführerschaft reklamiere die Firma mit dem großen A für sich. Daraus ergebe sich die fast sportliche Selbstverständlichkeit: alle ALDI oder LIDL oder NORMA Weine zumindest zum gleichen Preis in den Regalen zu haben – das sogenannte „ALDI-native Sortiment“. Das verstehe sich von selbst und sei kein Hexenwerk, mache aber unter dem Gesichtspunkt Marge nicht wirklich Spaß.
Die Response aus den Regionen sei wichtg – deshalb gelte es, den Zahlen zu folgen. Wein ist auch nicht in jedem Markt und in jeder Umgebung gleich wichtig. Dort wo man es mit zahlungskräftigen, interessierten Kunden zu tun habe, lohne sich auch ein anspruchvolles Sortiment – da dürfen dann Bordeaux, Barolo und Brunello mit dabei sein.
Präsentation
Wein gehört nicht zu den Grundnahrungsmitteln und bedarf von daher einer besonderen Präsentation. Christian Geling hat dazu in Bad Säckingen 150 m² und einen Verkostungsautomaten zur Verfügung. Mitglieder des Weinclubs können dort mit ihrer Kunden-Karte gratis bis zu 16 Weine aus dem Angebot probieren. Ein Weinfachberater ist in den frequenzstarken Zeiten vor Ort, zahlreiche Veranstaltungen binden die Kunden an das Weinangebot.
Schmidt’s Märkte setzt den Probierautomaten in weiteren Geschäften ein und auch die EDEKA Südwest hat die Geräte getestet: Vorausetzung für den Erfolg ist eine Person vor Ort, die das Gerät pflegt, die Weine austauscht und aktualisiert. „Das muss jemand sein, der damit umgehen kann, geschult ist und ein Basis-Wissen mitbringt!“
Aus dem Regal sind die Verkäufe eher schwach – hier drehen sich nur wenige Flaschen. Sehr viel stärker ist der Abverkauf durch Zweitplatzierungen – Aufbauten wie zum Beispiel der Spargelwein in der OG-Abteilung zur Spargelzeit. Gute Werbedamen schaffen es auch, kartonweise zu verkaufen. Deshalb wollen alle Maßnahmen gut geplant sein: es muss ständig etwas in der Weinabteilung passieren.
Werbung
Die Werbung läuft über die bekannten Handzettel und Kundenzeitungen, die jeder aus dem eigenen Briefkasten kennt. Zusätzlich über Anzeigen in den Tageszeitungen. Der Wein ist regelmäßig darin vertreten.
Bei Schmidt’s werden Woche für Woche über 50.000 Handzettel in die Haushalte verteilt. Speziell zum Thema Wein gibt es einmal im Jahr die sehr erfolgreiche „Weinlese“ der EDEKA Zentrale in Hamburg. Die Mitglieder des Weinclubs bekommen regelmäßig individuelle Mailings mit Angeboten und Einladungen.
Fazit
Dort wo die Vorausetzungen stimmen, kann ein Lebensmittelmakt beim Wein Fachhandelsniveau erreichen. Christian Geling macht in Bad Säckingen über 660.000 Euro Umsatz mit Wein – unter seinen Kunden sind ehemalige Fachhandelskunden, denen der Weg zum nächsten Fachhändler zu weit ist und die beim Versender die persönliche Beratung vermissen.
Manfred Kutscher von der EDEKA Südwest stellt fest, daß Märkte die hinsichtlich Sortiment, Preis und Präsentation optimiert werden, signifikante Umsatzsteigerungen im zweistelligen Bereich erfahren. Trotzdem hat er hier und dort mit den Widrigkeiten des Supermarktes zu kämpfen: wenn sich niemand um das Weinangebot kümmert, gibt es alte Jahrgänge, staubige Flaschen und Sortimentslücken. Eine verantwortliche Person zu finden, Wissen in den Markt zu tragen, ist darum wichtiger Bestandteil seiner Arbeit als Fachberater Wein Vertrieb.
Viele Fachhändler sehen in den Discountern ihren Mitbewerber – das ist falsch. Die wirklich guten Lebensmittelhändler, die den Wein entdeckt haben und das Thema gut spielen, sind in der Lage, dem Fachhändler seinen Teil vom Kuchen streitig zu machen. Sortiment, Preisstellung, Präsentation und gutes Personal plus die betriebswirtschaftliche Rationalität des Supermarktes lassen die Lebensmittelhändler zu starken Mitbewerbern werden.
Wer sich ansehen möchte, wie Wein im LEH zukünftig aussehen könnte findet in den Reihen der selbstständigen EDEKA-Kaufleute zahlreiche Beispiele. Neben Schmidt’s sind das zum Beispiel die Märkte von Hieber (dort gibt es sogar einen Kundenbeirat für Wein!), in den Scheck-in Centern (Motto: Eine deutsche Esskultur, die jener der Franzosen und Italiener in nichts nachsteht) oder in den beeindruckenden Frische Centern von Zurheide in NRW. Ein anders überzeugendes Beispiel ist die WASGAU AG im Südwesten.
25. Mai 2011 um 22:32
Es gibt aber auch genügend selbständige EDEKA Einzelhändler, die wahrscheinlich noch nie guten Wein getrunken haben. Und entsprechend sehen diese „Weinabteilungen“ auch aus. Dennoch: glückwunsch an alle EDEKA’s mit guten Weinen. (Ein bischen mehr Bioweine wäre trotzdem wünschenswert)
26. Mai 2011 um 09:25
Es kommt tatsächlich immer sehr auf die Personen an: ein Händler, der sich persönlich für Wein interessiert, wird das Thema ganz anders spielen als jemand der keine Beziehung dazu hat. Wein macht im LEH etwa 4% des Umsatzes aus – da sagt sich mancher Händler aber auch Mitarbeiter, er habe Wichtigeres zu tun.
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