Nestle-Studie: Du isst, was du bist – Ernährung bietet enormen sozialen Sprengstoff

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Mitternächtlicher Kühlschrank

Mitternächtlicher Kühlschrank - hier wohnt der Genuß foto:pixelspin/flickr

Gutes Essen wird wichtiger – alle wollen sich besser ernähren. Und achten deshalb weniger auf den Preis. Das sind einige Headlines der neuen Nestle-Studie 2011. Geiz ist nicht mehr geil, weil jetzt geil geil ist. Saturn machte Anfang Januar klar, auf welcher Ebene zukünftig argumentiert wird – ab jetzt kann eigentlich nichts mehr mißverstanden werden. Die Nestle-Studie will da nicht so eindeutig sein.

Aber sie birgt eine enorme Brisanz, die sie besser versteckt wie Saturn. Blickt man etwas tiefer in die Zahlen, dann ist gutes Essen nur für diejenigen wichtig, die es sich leisten können. Auf die Frage, ob sich jedermann eine ausgewogene und gesunde Ernährung leisten kann, antworten 63% mit höherem Einkommen positiv, aber nur 55% mit geringerem Einkommen. Bei den Besserverdienenden scheint es einen leichten Realitätsverlust zu geben. Schaut man nämlich einmal darauf, wie wichtig das Thema Ernährung überhaupt ist, sieht man , wie die Schere auseinandergeht:  53% der Reichen beschäftigen sich mit ihrer Ernährung, am unteren Ende der Einkommenskala machen sich nur 31% Gedanken darüber.

Kommt jetzt der Unterschichten-Einkauf?

36 % aller Gutverdiener achten auf die Kosten beim Lebensmitteleinkauf – die meisten dieser Einkommensklasse müssen es auch nicht. In ärmeren Haushalten schauen 71% auf den Preis. Entsprechend gehen die Einkaufswelten auseinander. Kommt nach dem Unterschichten-Fernsehen jetzt der Unterschichten-Einkauf ? Die Nestle-Studie scheint das zu bestätigen:  zwar erledigen auch 55% der Besserverdiener einen Teil ihrer Einkäufe bei ALDI & Co, bei den Einkommensschwachen sind das 77%. Und die tuen es sicher nicht unbedingt aus freien Stücken – siehe oben.

Noch deutlicher wird es bei der umgekehrten Betrachtung:  ja, es gibt ein Lebensmittel-Einkaufparadies, in dem die Besserverdienenden weitgehend unter sich sind. Nur 1% der Einkommensschwachen verirren sich ab und an in einen Bio-Markt, aber 12% der Besserverdienenden kaufen dort regelmäßig ein.

LIDL Einkaufs-Vorstand Goudblum sagte sinngemäß bei einem Kongreß in Berlin: „Die meisten unserer Kunden gucken auf den Preis, für sie haben wir die konventionellen Nahrungsmittel – für eine alleinerziehende Mutter ist wichtig, ob etwas 94 Cent kostet oder 1,29 €. Für die anderen müssen wir auch Bio oder Fairtrade haben – zukünftig vielleicht auch Nachhaltiges„.

Keine Zeit mehr für Genuß

Was auf uns zukommt – so kann man aus der Nestle Studie lesen – ist ein weitgehendes Auseinanderdriften der Ernährungsgewohnheiten von Reichen und Armen in unserer Gesellschaft. Für alle gilt, dass wir immer weniger Zeit für bewußtes, gemeinsames Essen haben, dass die Snack- und Unterwegs-Kultur im Vormarsch ist – aber diese Entwicklung ist in den einkommensschwächeren Schichten deutlich stärker ausgeprägt. Schon jetzt achten hier nur 60% auf gute Tischmanieren, lediglich 9% achten bei ihren Kindern auf feste Regeln bei der Ernährung. Bei den Besserverdienern sind dies immerhin 76 bzw. 18%.

Wo bleibt der Genuß? Es ist schon paradox – den höchsten Stellenwert auf der Genuß-Skala hat nicht das gemeinsame Abendessen, daß bei Familien für Kinder und Erwachsene immer noch so erstrebenswert scheint – sondern das einsame mitternächtliche Plündern des Kühlschranks. Das ist nicht eine Wunschvorstellung der Industrie – die hier gezielt mit Snacks dienen will –  nach der Nestle-Studie ist es schon heute Realität.

3 Kommentare

  1. Was diese Zahlen wiederspiegeln ist genau das was sich bei uns jeden Tag in unserem Markt abspielt, vielen Dank für diese Extraktion der Nestle-Studie.
    Zahlen machen dieses Geschehen etwas greifbarer.

    Mit besten Grüßen

    Christian Geling

    • Lieber Christian Geling
      – vielen Dank für diese Bestätigung aus der Praxis!

      Die Zahlen sind ganz schön ernüchternd – Eco, Bio, Nachhaltigkeit scheinen Themen für Besserverdienende zu sein, weil die anderen es sich schlichtweg nicht leisten können. Für den Handel läßt sich schon einiges daraus ableiten: richtig präsentiert können bei entsprechendem Publikum auch anspruchvolle Sortimente funktionieren – aber die aldinativen Produkte dürfen nicht vergessen werden. Frage: zu welcher Gruppe wird der Wein zukünftig gehören?

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