Noch ein Führer

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"Deutschlands umfassendster Supermarkt-Weinführer"

"Deutschlands umfassendster Supermarkt-Weinführer"

Führern folgt man in Deutschland heutzutage erst, wenn man sie genau unter die Lupe genommen hat. Aber dann folgt man ihnen entweder bedingungslos oder hadert auf ewig mit ihnen. Gault-Millau, Gambero Rosso und wie sie alle heißen – sie werden auch in der Online-Szene entweder als Bibel akzeptiert oder als Objekt angesehen,  an dem man sich abarbeitet.

Wenn was Neues kommt, ist man in der Online-Szene eher skeptisch und neigt zum Untersuchen und Auseinander-Nehmen. Das haben die Kollegen bei einem Führer getan, der durch die Vielfalt der Supermarkt-Weine leiten will. Die Urteile reichen von „interessant“ über wohlwollend bis hin zur Steilvorlage für den Staatsanwalt Schmähkritik, unbewiesene Tatsachenbehauptung„.  BILD hat sich vor Weihnachten  die Urteile dieses Führers oder besser: dieser  Führerin (?) zu eigen gemacht und darauf basierend ein Ranking der besten 100 Supermarkt-Weine veröffentlicht. Ob das jetzt für oder gegen die Führerin spricht, mag jeder für sich selbst entscheiden.

Für mich bestätigt es  die Aussage von Arend Heijbroek, Food-Analyst der Rabobank, die er vor einem Jahr beim Wein-Blogger Roundtable in Hamburg machte: der deutsche Weinmarkt gehört in erster Linie den Discountern.

Auch ohne das Buch gesehen zu haben, finde ich es sehr problematisch, einzelne Supermarkt-Weine in Form eines Führers zu bewerten. Wer das tut, verkennt vollkommen die Dynamik eines Supermarkt- oder noch viel mehr eines Discount-Sortimentes. Discount-Weine verkaufen sich in Millionen-Auflage, selbst Bio-Weine erreichen schnell 700.000 – 800.000 Flaschen. Weine mit für den Laien fast identischen Etiketten kommen häufig von verschiedenen Lieferanten oder aus unterschiedlichen Abfüllungen. Wenn man all diese Feinheiten berücksichtigen will, kann am Ende kein griffiger Führer herauskommen.

Was durchaus machbar ist: die Sortimente der Supermärkte und Discounter zu analysieren und das dahinterstehende Konzept aufzuzeigen. Da gibt es deutliche Unterschiede und Veränderungen, da häufig mit neuen Verantwortlichen auch neue Konzepte Einzug halten. An einer solchen Beschreibung kann sich dann der Verbraucher orientieren: wo finde ich am ehesten meinen Wein? Bin ich eher Schnäppchen-Käufer und suche nach Angeboten – dann gehe ich zu A. Stehe ich auf Lifestyle kombiniert mit  Parker-Punkten oder Medaillen (die bei den Einkäufern gerade mal wieder schwer gefragt sind), dann werde ich mit den Weinen von B glücklich. Oder kommt es mir auf den niedrigsten Preis an, dann gucke ich bei C ?

Außerdem: für das Geld, das ich für den Führer ausgebe, habe ich die Möglichkeit, schon einmal selbst etliche Weine zu testen. Und das muß man in jedem Fall tun (siehe oben). Bei Gefallen ist es oft geraten, auch gleich sofort zuzuschlagen, denn am nächsten Tag steht vielleicht schon ein ganz anderer Wein an der gleichen Stelle im Regal.

Ein Supermarkt-Wein-Führer sollte sich eigentlich gut verkaufen: im einig Discounter-Land beschäftigt er sich immerhin mit dem Angebot der größten Weinhändlern der Republik. Für Erfolg sprechen auch die  Aldi Kochbücher und Blogs und die 5 Euro Debatte im letzten Jahr. Aber auch wenn man veilleicht manchmal an der Weinkompetenz des Discounts zweifelt, hat eine Kritik oder Bewertung professionell zu sein.

Die erste „Kritik“ des Supermarkt-Weinführers bei Amazon paßt übrigens dazu: sie zeugt entweder von einer großen Naivität oder dem Unvermögen einer PR-Agentur.

Ergänzung: Mario Scheuermann hat dankenswerterweise im DrinkTank die Identität der Autorin Cordula Eich aufgedeckt. Wie schon vermutet, handelt es sich um ein Pseudonym.

5 Kommentare

  1. Pingback: Tweets die Noch ein Führer erwähnt -- Topsy.com

  2. Als wohlwollend würde ich meine Besprechung nicht klassifizieren. Eher als ambivalent.

    1. LEH ist großer Weinhändler. (Laut Nielsen sogar 2% plus in 2009; ohne Discounter, bei denen war es durch Aktionsweine und bzw. einer massiv beworbenen Eigenmarke bei Lidl bestimmt noch mehr) Daher ist eine Auseinandersetzung mit den Weinen dort wichtig.

    2. Bücher in diese Richtung gab es schon vorher (z.B. von Frank Kämmer).

    3. Zeige ich detailiert einige Probleme dieses Führers und bei der Erstellung eines solchen Führers grundsätzlich auf.

    4. Stehen noch meine Tests von Empfehlungen aus dem Führer aus.

    Ich denke zudem, dass eine eindeutige Positionierung gegenüber diesem Vertriebsweg und Bücher darüber problematisch ist. Differenzierte Betrachtungen – so schwer man sich online damit doch tun mag – passen aus meiner Sicht eher.

  3. Super Schoppen Shopper 2010-Deutschlands überflüssigster Supermarktweinführer!

    Alle Jahre wieder entscheidet sich ein Journalist oder ein Journalistenteam dafür, dass der potenzielle oder gesetzte Weinliebhaber geführt werden muss!

    Ja, der Dschungel der Weinwelt ist groß und die vinophilen Religionen vielfältig. Der neue Weinführer “2010 Super Schoppen Shopper” (trendy Name oder Brechmittel?)beschäftigt sich nun mit dem Angebot der Niederungen von Supermarktregalen.

    Nichts Neues, macht dies z.B. Till Ehrlich schon seit Jahren qualitativ hochwertig, wenn man dies im Zusammenhang mit “Billig Wein” sagen kann.

    Der neue Führer geht noch tiefer, nämlich in die Tempel der Diskounter!

    Jetzt erwartete ich ganz subjektiv, dass mir dieser unser aller Führer erklärt welcher Wein, den wirklich einer ist und keine “Laborratte”?! Welcher Wein unter welchen Bedingungen vinifiziert worden ist? Und welche Antworten erhalte ich von “Deutschlands umfassendsten Supermarktweinführer”? Eine kleine Kostprobe:

    “Yellow Tail, Chardonnay 2007″ “Werther`s Echte in Flüssigform!” Jawohl, das ist umfassend und absolut trendy oder wie es ein bekannter Weinjournalist sogar behauptet “Konsequent und frech”!

    Kein Wunder, dass dieser Führer auch in der Bildzeitung angepriesen wird, denn vielmehr Textzeilen benutzt dieser auch nicht. “Super Schoppen Shopper 2010″ ist oberflächlich, gibt keine Auskünfte über Erzeuger, sagt nicht wirklich etwas über die tatsächliche Qualität der Weine und ist einem spatpubertären “Slang” geschrieben, der sich dem “Diskounterniveau” anpasst! Bitte zu Till Ehrlich`s Führern greifen, denn der hier rezensierte ist Deutschlands überflüssigster Supermarktweinführer!

    Philipp Erik Breitenfeld

  4. Wir Deutschen haben den Hang zum Schnäppchenjagen und so werden derartige Führer vermutlich immer wieder geschrieben werden.
    Das Problem sind wohl eher Weinführer im Allgemeinen. Bestimmte Weine erhalten eine bestimmte Punktzahl oder andere Bewertung, doch ob der Leser und spätere Käufer sie mag, sei dahingestellt. Wenn ein Dornfelder-halbtrocken-Trinker sich einen hochbepunkteten Madiran oder Barolo runterwürgt, ist das Ziel des Führers verfehlt.

    Absolute Punktzahlen gelten meines Erachtens vor allem für die Person, die sie vergeben hat. Ein südafrikanischer Rotwein mit, sagen wir, 95 Parker-Punkten bekommt von mir vielleicht nur 70 Bieber-Genuß-Punkte, da ich die häufige rauchige Note südafrikanischer Weine nicht mag.

    Man braucht Vorkenntnisse. Muß wissen, welche Rebsorten, welche Regionen man mag, etc. „Wine – just a drink“ von Matthew Skinner ist da zum Beispiel eine schöne Einführung auf einem niedrigen Level ohne Fachsprache, vielleicht ein bisschen hip und cool, aber was soll’s. 95 % der Weintrinker haben keine Ahnung von Wein und daher sollte man sie besser mit einer guten Einführung versorgen. Was schmeckt mir? Wie kaufe ich einen guten Wein, bzw. was sollte ich lieber im Regal stehen lassen? Wie finde ich einen Wein, der zu meinem Budget paßt? Warum kosten manche Weine mehr als fünf Euro? Das sind Fragen, die ich immer wieder in Weinseminaren behandle.

    Einen Führer sehe ich als eine gute Unterstützung für den Vorgebildeten. Die Weinwelt ist so groß, daß auch ich als Profi nicht alles kennen kann. Da sind Nachschlagewerke praktisch und ich bin dankbar dafür.

    Was mich an einem Supermarkt-Weinführer (den besprochenen habe ich zugegebenermaßen nicht gelesen) ärgert, ist die Billigmentalität und die implizite Aussage, daß Weine, die mehr kosten, überteuert sind. Was mich an anderen Weinführern manchmal stört ist allerdings, daß hervorragende Weine meist so teuer sind, daß die viele Menschen sie sich nicht leisten können.
    Mit einem leckeren Schnäppchenwein für 3,29 im Glas,

    Timo Bieber

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