„Enthält Sulfite“ oder „…Schwefeldioxid“ – das kennen wir schon. Ab dem 1. Juli 2012 müssen weitere für Allergiker gefährliche Stoffe zusätzlich auf dem Etikett deklariert werden. Wir werden uns an „Enhält Ei“, „…Eiprotein“, „…Eiprodukt“, „…Lysozym aus Ei“, „…Albumin aus Ei“ oder „Enthält Milch“, „…Milcherzeugnis“, „…Kasein aus Milch“ oder „…Milchprotein“ gewöhnen müssen, wenn der Wein mit Eiklar oder Milcheiweiss behandelt wurde. Sind mehrere Stoffe im Wein vorhanden, kann auch gleich die ganze Palette auf dem Etikett erscheinen: „Enthält Sulfite, Milch, Ei“.
Statt in Worten können die Stoffe auch mit Piktogrammen (siehe Bild) deklariert werden. Dann erscheinen neben der schwangeren Frau auf den Etiketten noch weitere kleine Bildchen. Es ist abzusehen, daß die Kunden am Weinregal durch die neuen Angaben weniger beruhigt als verunsichert und verwirrt werden. Da man über Wein per se wenig weiss, ist das Verunsicherungspotential groß.
Da die Kennzeichnungspflicht in der EU für Weine ab dem Jahrgang 2012 gilt, wird es in der Übergangszeit Weine aus älteren Jahrgängen ohne Kennzeichnung geben – da bleibt sicher so manche Flasche mit dem merkwürdigen Warnhinweis im Regal stehen, in der Meinung , in den Flaschen ohne Kennzeichnung seien die Stoffe nicht enthalten.
Zukünftig zwei Klassen: mit und ohne
Auch später wird es diese zwei Klassen geben – wie heute das Institut Heidger in einem Rundbrief mitteilt, soll ein Auslegungsvermerk zur Verordnung vorsehen, „dass eine Kennzeichnungspflicht entfällt, wenn bei der Herstellung des Weines keine Mittel auf Ei- oder Milchbasis verwendet wurden oder die Präsenz dieser allergenen Inhaltsstoffe im Endprodukt nach den von der OIV verabschiedeten Analysenmethoden nicht nachweisbar ist.“ Die Verwirrung ist also für die Zukunft programmiert! Wer weiter traditionell klärt und schönt, wird abgestraft.
Das „Bundesinstitut für Risikobewertung“, das dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) zugeordnet ist, hat in einer Meta-Studie ( PDF download) ermittelt, dass Warnhinweise auf Nahrungs- und Genussmitteln unter bestimmten Voraussetzungen die Verbraucher in ihrem Kaufverhalten, ihrer Ausgabebereitschaft und ihrem Konsum beeinflussen. Es ist also nicht von der Hand zu weisen, dass die zusätzlichen Labels, die zur Information von Allergikern gedacht sind, „normale“ Konsumenten in ihrer Kaufentscheidung lenken. Das Etikett ist gerade im bedienungslosen Weinhandel oft die einzige Informationsquelle und Entscheidungshilfe für den Konsumenten.
Zweierlei Maß
Bitte nicht falsch verstehen: Information und Aufklärung ist wichtig – aber zum einen beschäftigen sich die betroffenen Allergiker sehr viel intensiver mit den Produkten als „Otto-Normalverbraucher“ und kennen sich von daher auch besser mit den Risiken aus, zum zweiten scheint es bei den Nahrungs- und Genußmitteln eine gewisse Ungleichbehandlung zu geben.
Jens Priewe weist auf weinkenner.de darauf hin, daß Kuchen, Kekse, Mayonnaise viel höhere Dosen an Eiweiss enthalten – hierfür aber keine Kennzeichnungspflich besteht.
27. Juni 2012 um 14:49
Hallo, ich finde das sind ganz außerordentlich gute Nachrichten. :-)
Wie verhält es sich denn bei Weinen die mit Gelantine behandelt wurden? Muss das deklariert werden?
Und noch eine Frage an den Kenner, wie oft kommt es denn vor, dass Weine mit Milchprotein behandelt werden?
Danke für Ihre Rückmeldung.
Gruß
Katharina
27. Juni 2012 um 15:20
Hallo,
auch ich finde, dass es sich um ausgezeichnete Nachrichten handelt. Weiterhin ist für mich die Deklarierung von mit Gelantine behandelten Weinen der logische (und notwendige) nächste Schritt. Schließlich sollte jeder ohne unnötig großen Rechercheaufwand genießen können.
Viele Grüße.
27. Juni 2012 um 18:41
In unseren Lebensmitteln sind viele Stoffe, die von Allergikern nicht vertragen werden – im Wein hat man drei Stoffe identifiziert, die bei Betroffenen Reaktionen hervorrufen können. Die Weinwirtschaft arbeitet daran, den Einsatz dieser Stoffe zu reduzieren. Dazu gibt es ein breit angelegtes Forschungsprojekt http://www.fa-gm.de/fachgebiet-kellerwirtschaft/forschung/laufende-projekte/reduktion-allergener-weinbehandlungsmittel/problemstellung-und-ausgangssituation/index.html. Daneben gibt es weitere Stoffe, mit denen, vereinfacht ausgedrückt, Wein zwar behandelt wird, die aber im fertigen Produkt nicht mehr enthalten sind – sie müssen gesetzlich zugelassen sein, aber es wird keine Deklaration verlangt. Das ist übrigen auch bei vielen Lebensmitteln so.