Das Öl im Golf und Obamas Rede an die Nation. Vielen war sie zu schwach, zuwenig führend, zuwenig Stärke und Macht demonstrierend. Reymer Klüver in der Süddeutschen sehnt sich fast nach einem George W. Bush zurück, der mit dem Megafon auf den rauchenden Trümmern des World Trade Centers stand.
Er vergißt dabei, daß Obama gewählt wurde, weil er das Gegenteil von Bush verkörperte: hier das ausgediente Macho-Modell, dort der Mann, der für weibliche Werte in der Politik stand. Jemand der als bescheiden, warmherzig und empfindsam galt, der nach gemeinschaftlichen Lösungen sucht, Social Networker ist und sich nicht scheut, Dinge zu sagen, die andere nicht hören wollen. Obama stand für die Neuausrichtung der Politik in einer zunehmend feminineren Welt. Daß er heute zaudernd wirkt und ihm auch nicht immer der Erfolg beschieden ist, den man ihm wünscht, liegt an den Aufgaben, denen er sich zu stellen hat, sicher auch an den Menschen, die ihn umgeben und die sich in Krisenzeiten nach einfachen (männlichen) Lösungen sehnen: Faust auf den Tisch, Revolver auf die Brust.
„The next 150 Jahre will be female-focused and everything will look very different“ stellte das Future Laboratory in London 2008 in einer Studie fest. Kommunikation, Emotionalität, Intuition, Empathie, typisch weibliche Eigenschaften bekommen mehr und mehr Anerkennung. Und die Frauen sind präsent auch in vormals männlichen Domainen: bei der WM in Deutschland sah man sie zum ersten Mal beim Public Viewing, die deutschen Damen sind schon Fußball-Weltmeister, in der deutschen und europäischen Politik ist der erste Mann eine Frau und mit Obama wurde der erste Präsident der Herzen gewählt.
Frauen entscheiden schon längst nicht nur über Socken, Lampen oder Möbel, sondern längst auch über das Auto, die Urlaubsinvestitionen und die Finanzanlagen. Deutsche Frauen kontrollieren 78(!) % des Haushaltseinkommens. Zukunftsforscher Matthias Horx stellt in Megatrend Frauen fest, daß sich „die Konsum- und Servicewelt über weite Strecken den Wünschen weiblicher Konsumenten sperrt…. Frauen investieren – oder würden(!) gerne investieren, wenn sie die richtigen Angebote hätten – in Gesundheit, Balance, Lebensumfeld, Wohnen, Services, Zukunft.“ Auf jeden Fall haben Frauen in der Krise das „Homing“ entdeckt und zu einem Trend gemacht, Familie und Freunden zu einer Renaissance verholfen und nach der Katastrophe des „Bullenmarktes“ den Weg zu neuen „alten“ Werten eingeschlagen.
Auch die Einstellung zum Wein hat sich in den letzten Jahren entsprechend geändert: Wein ist zu einem Bestandteil des Lifestyles der Mittelklasse geworden, sagte Arend Heijbroek Food&Drink-Analyst der Rabo-Bank vor einem Jahr. Und dieser Lifestyle wird heute von Frauen bestimmt. Wein war noch Ende der 90er Jahre Prestige-Objekt, klar männliche Domaine des Wissens und der Erfahrung, mit der man renommieren konnte. Heute muß sich Wein mehr in die Lebenswelt der Verbraucher einordnen. Zuerst kommt die Familie, vielleicht Kochen mit Freunden und dazu der passende Wein. Die Kundenansprache muß mehr über diese Schiene laufen. Nicht in Hektoliter pro Hektar ausgedrückte Qualität, die Schlagzahl des Vollernters und das kleine Einmal-Eins der Jahrgänge ist gefragt, sondern ob der Wein zu meinem einfachen Abendessen, zu meiner Pasta passt oder ob er sich als Begleiter eines Plausches auf der Terrasse eignet. Viele Wein-Werber, Texter und Verkäufer haben bei diesem Themenwechsel noch Nachholbedarf.
Anregungen kann man sich unter anderem bei den Vorträgen und Dokumenten zum letzten FemaleDay der Agentur Grey holen. Was die Feminisierung konkret für die Küche und den Wein bedeutet hat Hanni Rützler schon vor ein paar Jahren festgestellt: Frauen haben einen anderen Geschmack. Und Männer passen sich dem mehr und mehr an.