Der Handel steht vor einschneidenden Veränderungen. Online wird unser Einkaufsverhalten dramatisch verändern. Da sind sich alle Experten einig. Nicht, dass es in ein paar Jahren keine Läden mehr geben wird,
aber „wie werden beispielsweise Einkaufscenter-Betreiber damit umgehen, wenn auf bestehender Fläche im Jahr 2020 zwischen 10 und 20 Prozent weniger Umsatz gemacht wird“ fragt Prof. Gerrit Heinemann in seinem Buch No-Line-Handel. 10 bis 20 Prozent online Anteil über alle Branchen ist durchaus realistisch. Bei Textilien und Schuhen sind wir heute schon da – bei Büchern und Software sowieso.
Einstige Marktführer kommen ins Schleudern
Weniger Umsatz auf der Fläche ist nur eine Folge – Kunden, die über die Ware mehr wissen als die Verkäufer eine andere. Und Retouren im Geschäft, von Produkten, die online gekauft wurden eine weitere. Das sind heute schon Probleme im Handel mit Unterhaltungselektronik – sie bringen die einstigen Marktführer -„ich bin doch nicht blöd“ – ganz schön ins Schleudern. Und es werden morgen die Probleme des Weinhandels sein.
Wir wissen aus aktuellen Untersuchungen, dass die 2/3 der Kunden des Fachhandels gleichzeitig Kunden bei der Konkurrenz sind und auch im Lebensmittelhandel Wein kaufen. 34% kaufen bereits zusätzlich online ein.
Multi-channel im Weinhandel
Multi-channel heißt das Konzept, dass die Kunden besser binden soll. Christoph Dippe Geschäftsführer und Mitinhaber von Rindchen’s Weinkontor stellte vor einigen Tagen den Studenten im Seminar Weinhandelsmarketing an der Hochschule Heilbronn sein Konzept vor. Rindchen betreibt elf eigene Weinkontore, weitere acht Kontore werden von selbstständigen Partnern geführt. Mit rindchen.de und meevio.de werden die Kunden auch online erreicht. Der Umsatz im Endverbrauchergeschäft betrug 2012 über 12 Millionen Euro.
Zuerst Voraussetzungen schaffen
Wichtige vertriebliche Voraussetzung ist die Vereinheitlichung des Angebotes im Laden und im Internet. Gleiche Preise sind unabdingbar. Bislang ist die Online-Wein-Szene durch teilweise extreme Preise und massivste Rabatte an der Grenze zur Unglaubwürdigkeit – 30 / 40 / 60 Prozent – gekennzeichnet. Das ist nicht nur wenig nachhaltig und wirkt auf die Kunden sehr verunsichernd – in einem multi-channel Ansatz funktioniert es so auch nicht.
Eine weitere wichtige technische Voraussetzung ist ein funktionierender Kundenclub oder eine Kundenkarte. Normalerweise kennt der stationäre Handel seine Kunden nicht – der Kunde kauft und bezahlt mehr oder weniger anonym an der Kasse. Kaufdaten und Kunden zusammenzuspielen funktioniert nur mit dem Einverständnis der Kunden. Im Rahmen eines Klubs oder einer Karte ist das möglich. Bei Rindchen’s heußt diese Karte „Genießerkarte“. Im Gegenzug bekommt der Kunde spezielle Angebote und Einladungen – bei Rindchen sind insbesondere die Wein-Menüs zu Sonderpreisen, die man mit der lokalen Gastronomie zusammenstellt, eine Attraktion.
Online und stationäre Läden ergänzen sich
Bei Rindchen ergänzen sich die Läden und das online-Angebot: in den Läden gibt es das Einkaufserlebnis, dort kann probiert werden und dort gibt es fachkundige Beratung. Online bietet Rindchen gezielt als Kanal für Nachbestellungen an. Niemand hat heute mehr Zeit – Routineeinkäufe möchte man schnell und ohne großen Aufwand erledigen. Der Kunde soll möglichst zügig und unproblematisch an die Ware gelangen – deshalb hat man in die Logistik investiert: der größte Teil der bestellten Weine wird am nächsten Tag beim Kunden zugestellt. Donnerstag für die Party am Samstag bestellen, ist kein Problem.
Online in der Neukundengewinnung
Gleichzeitig werden über das Internet Kunden für die Läden geworben. Die klassische Kundengewinnung über Mailings oder Freundschaftswerbung ist in den letzten Jahren immer teurer geworden. Hier gibt es zudem einen Overload – die Briefkästen sind voll und die Rücklaufquoten entsprechend niedrig. Werbung über Suchmaschinen, Banner und Kooperationen im Internet ist zur zeit noch günstiger und erreicht eine immer größer werdende interessante Ziel-Gruppe. Die dort über Aktionen und Testpakete gewonnenen Kunden können dann gezielt in die Läden eingeladen werden.
Wichtig: die Mitarbeiter in den Läden „verkaufen“ das Konzept aktiv – auf der einen Seite bewerben sie das Online-Angebot, andererseits nehmen sie die Kunden, die über online in die Läden kommen, an die Hand und bieten ihnen ein attraktives Einkaufserlebnis.
Online wird im lokalen Umfeld immer wichtiger
Schon jetzt sehe man, dass das Konzept aufgeht, meint Dippe. Die besten Online-Umsätze mache Rindchen im Umfeld der stationären Kontore und die besten Neukunden für die Läden werden aus den Online-Kunden gewonnen.
Das Wort „Distanz-Handel“ für das Internet-Geschäft ist deshalb etwas irreführend. Am Beispiel Rindchen sieht man, dass Online auch eine starke regionale oder sogar lokale Komponente beinhalten kann.
Multi-channel im Weinhandel wird eines der Themen beim Fachhandelstag am 9. September in Heilbronn sein.
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27. August 2014 um 14:36
Kurz zur Info – der Weinmarketingtag fällt aus.