Kürzlich gab es Post vom Discounter – nein nicht die üblichen Handzettel, sondern eine aufwendige Pressemappe.
LIDL beglückte zum Start seines VIAJERO Wein-Programmes die Presse mit Hintergründen zur neuen LIDL Dachmarke. Die Weinbeschreibungen (PDF download) zu den beiden Erstlings-Weinen würden jedem Fachhändler zur Ehre gereichen. Ausführlich werden Erzeuger, Herkunft, Rebsorten, Terroir Vinifizierung und Ausbau beschrieben. Als analytische Basis-Daten werden Alkoholkgehalt, Säure, Restzucker und Extrakt mitgeliefert.
VIAJERO soll die Weinreise der besonderen Art sein: das Sortiment steht für „herausragende Qualität zu einem günstigen Preis“. Lidl garantiert „sorgfältige Auswahl der Partner, namhafte Önologen und Weinexperten, unabhängige externe Qualitätskontrolle und regelmäßige sensorische Prüfung durch unabhängige Experten“.
Die ersten beiden Weine stammen aus den Kellern der Gruppo Italiano Vini, des „Primus inter Pares“ (Weinwirtschaft) der italienischen Weinwirtschaft. Der Verbund von 14 Kellereien machte 2009 300 Mill Euro Umsatz, mehr als jeder andere. Die bei Lidl vorgestellte Tenuta Pule gehört zur Kellerei Lamberti im Veneto, die Masseria Metrano zu Castello Monaci im Salento.
Mit 7,99 € bzw. 6,99 € pro Flasche gehören die Weine beim Discounter schon ins Top-Sortiment. Auch Aldi bewegt sich mit seinen Keller- und VDP-Weinen in der gleichen Preis-Range. Die Discounter stossen mit ihren Konzepten nicht nur preislich in die Domaine des Fachhandels vor. Wer eine Vorstellung von der Kalkulation im Discount hat, weiss, daß es bei diesen Weinen nicht nur um Prestige geht: hier wird Wertschöpfung betrieben.
Manchmal kann der Fachhandel sogar billiger: bei Jacques‘ Wein-Depot wird seit Jahren der Nero d’Avola von Rapitala , dem sizilianischen Flaggschiff der Gruppo Italiano Vini angeboten. Aktueller Preis 5,90 € pro Flasche.
Nochmal zurück zu der schönen Pressemappe: bei solchen Weinen kann sich der Discounter den Aufwand durchaus leisten. Und wenn dann unterstützend zur Produkteinführung die Resonnanz in den Fachpublikationen da ist, war der Presse-Aussand auch noch günstiger als jede Anzeige.
7. April 2010 um 17:01
Der erst kürzlich vergammelte Käse bei LIDL muss dem Unternehmen wohl mehr geschadet haben als man zugibt. Nun muss ein ausgeklügeltes Weinmarketing betrieben werden, um das Ansehen des billig-counters zu liften. Für den Fachhandel wieder eine Herausforderung. Die Preisargumentation kann wieder neu angesetzt werden, diesmal zu unseren Gunsten. Bleibt abzuwarten wie der sparende Konsument reagiert.
24. April 2010 um 23:31
Was hat denn der Gammelkäse mit dem Weinkonzept zu tun?
Oh, wir haben Gammelkäse?
Na da stielen wir schnell mal ein Weinprojekt ein!
Dummer Kommentar.
15. Mai 2010 um 10:44
Lieber Herr Pleitgen,
Sie hätten sich die Mühe machen sollen, die Lidl-Weine zu probieren. Dann wäre Ihr Kommentar weniger freundlich ausgefallen. Die Weine sind schlichtweg eine Zumutung, der scheinbar günstige Preis total überzogen. Dafür gibt es anderswo einen 6er Karton. Die Leute, die jene von Ihnen gelobten Begleittexte verfassten, sind Märchenerzähler mit einer blühenden Phantasie…
Wer nur etwas Ahnung von Wein hat und sie ordert, hat zweimal gekauft: das erste und das letzte Mal.
Freundliche Grüße
Rudolf Knoll
15. Mai 2010 um 14:27
Lieber Rudolf Knoll,
klare Worte! Vielleicht habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt, ich sehe die zunehmende „Discounterisierung“ als höchst bedenklich. In unserem Beispiel verkaufen Discounter jetzt Wein nach Fachhandels-Manier. Sie gucken sich immer mehr dort ab.
VIAJERO ein gutes Beispiel. Die Agentur, die für die LIDL Reihe die PR macht, ist sonst für honorige Weinanbieter tätig. Die Lieferanten sind die gleichen, wie beim Fachhandel (siehe mein Beispiel). Die Experten mit ihren Punkten auch. Bei Aldi ist der einzige und wahre deutsche Wein-Weltmeister unter Vertrag. Für den Kunden muss das doch immer undurchsichtiger werden! Im Zweifel punktet der Discounter, weil scheinbar preiswert. Da gilt es für die Fachhändler, aufzupassen!
Was sich in den Flaschen findet, ist höchst unterschiedlich (manchmal auch beim Fachhändler). Aber das realisieren die Kunden meist nicht. Jeder Fachhändler kennt die Kunden-Erzählungen vom tollen Discount-Champagner. Läßt man dann die Leute einmal nebeneinander probieren, ist die Reaktion meist eindeutig: „Brausetablette“.
Entgegen Behauptungen aus dem Handel haben die niedrigen Preise in Deutschland schon dazu geführt, daß wir im LEH bei Obst und Gemüse, Käse, Fleisch etc nur noch absolute Basis-Qualitäten finden. Beim Wein verkaufen Italiener, Franzosen und Spanier ihre besseren Qualitäten lieber nach England oder USA, weil sie dort höhere Preise erzielen.
Die Spirale dreht sich schon seit Jahren nach unten: immer mehr Qualitäts-Produzenten können nicht mehr mittun. Verschärfend wirkt, daß der Kunde es für ein Naturgesetz hält, daß alles immer billiger wird, weil er das bei Computern und Unterhaltungselektronik täglich erlebt. Vor dieser Entwicklung möchte ich warnen!