Zeitschriftensterben und Eigentümerkarroussel : in der letzten Zeit hat es auch etliche Wein- und Food-Titel erfaßt. Themenwechsel: immer weniger Wein in Tageszeitungen. Dafür Online-Foren, Blogs, Twitterer. Weinjournalismus im Umbruch. „Götterdämmerung für Wein-Gurus“ hat Eckhard Supp einen Artikel zur Lage und Situation des Weinjournalismus überschrieben. Dazu drei Thesen:
– Wein-Medien und Journalisten sind an der aktuellen Situation nicht ganz unschuldig
– Veränderung im Weinmarkt bringt Wandel in der Kommunikation
– neue Geschäftsmodelle funktionieren noch nicht oder fehlen
In der Branche scheint es mittlerweile als abgemacht zu gelten, dass man mit den Publikationen als solchen kein Geld verdienen kann. Deshalb braucht es Rotweinpreise, Degustationswettbewerbe und Weingalas. Englische und amerikanische Verlage haben zum Teil von Anfang an auf diese Schiene gesetzt, deutsche haben in den letzten Jahren mehr und mehr nachgezogen. Veranstaltungen als Einnahmequelle funktionieren nur mit einer schlanken Kostenstruktur. Die Verlagsmitarbeiter mutieren zu Veranstaltungsmanagern. Verstanstaltungen funktionieren nur mit begleitender Vor- und Nacharbeit im Heft. Daher die großen Veranstaltungs-Fotostrecken: Herr X nebst Gattin neben Frau Y mit Präsident Z. Zur Qualität der Hefte trägt beides nicht unbedingt bei.
Die Symbiose von Anzeigen und originärem „Content“ ist immer enger geworden. Bis hin zur Un-Unterscheidbarkeit. So gab es letzthin zu 128 Seiten von Deutschlands bestem Food-Magazin (Werbeanteil 35%) noch mal 100 Seiten Gourmetshop-Versandkatalog gratis. Und der Katalog segelt dann auch noch unter der Flagge des Magazins. Zeitschrift mit Beilage oder Beilage mit Zeitschrift? Irgendwann können es dann vielleicht die Versandhändler genausogut oder besser. Mit einem Unterschied: den Manufaktum-Katalog oder das Jacques-Wein-Journal gibt es umsonst!
Eckhard Supp beklagte sich in seinem Artikel über das Ansinnen, er möge doch Weinhändler werden. Auf dem Wege zum Händler sind eben viele Zeitungen und Zeitschriften: Bild verkauft in einer Aktion mal eben 4.000 Wasserkocher. Die SZ vermarktet offensiv ihre Buch-, Film- und Musikprodukte. Die Liste ist beliebig erweiterbar.
Gleicher Inhalt, gleiche journalistische Qualität: Die gleichen Autoren, die für die Weinpresse schreiben, füllen auch die Seiten einer Gebietsweinwerbung oder eines Händlers. Sie treten bei deren Veranstaltungen auf und oft wird es schwierig, den Journalisten als Wein-Experten vom Journalisten als Wein-Werber zu unterscheiden. Überhaupt Werbung: sie soll informieren und unterhalten. Und das tut sie dank der journalistischen Unterstützung im Wein immer besser. Wenn das hier Gebotene für das Gros der Weinfreunde als Information ausreicht, wer braucht dann noch Wein-Zeitschriften?
Vor den gleichen Fragen steht natürlich auch die Online-Wein-Presse. Sie hat im Moment noch den Vorteil, daß sich im Mitmach-Web gerne die Spezies „engagierter Weinfreund“ zu Wort meldet. Anders als in Zeitungen und Zeitschriften kann in Foren und Blogs mitdiskutiert werden. Wein ist im Web demokratischer geworden. Das ist sicher ein Teil der Zukunft. Aber die Frage nach einer dauerhaften Finanzierung stellt sich auch im Internet.
In einem Gespräch sagte ein Weinjournalist neulich, im Laufe der Jahre hätten sich immer mehr zwei Arten von Lesern herauskristallisiert. Die eine Gruppe seien die Weinanfänger mit den immer gleichen Fragen: kann ich einen Wein, den ich heute öffne, bis morgen im Kühlschrank aufbewahren. Die andere sehr kleine und elitäre Gruppe seien die angesprochenen „engagierten Weinfreunde„, die ihr Zuhause immer mehr im Netz finden.
Wein ist heute das beliebteste alkoholische Getränk. Der Anteil der Haushalte, die in Deutschland regelmäßig Wein kaufen, bewegt sich seit Jahren auf einem fantastisch hohen Niveau. Daraus läßt sich aber nicht automatisch der Schluss ziehen, das Interesse für Informationen und Hintergrund sei ebenfalls auf einem Hoch. Ich habe das an anderer Stelle schon einmal belegt. Die Basis-Information durch Hersteller und Händler ist besser geworden und die Weintrinker sind heute viel besser mit dem Thema vertraut, als noch vor 10 – 15 Jahren. Für wen dann noch schreiben?
Wo sind die Eliten, die Trendsucher, die in der Vergangenheit treue Kunden der Weinjournalisten waren? Könnte es sein, daß die „Demokratisierung“ des Weins ihn für diese Gruppe unter den Genußorientierten immer uninteressanter macht?
In einer Zeit errodierender Auflagen und sterbender Titel im Print und fehlender Geschäftmodelle im Internet, sollten die Akteure einmal gemeinsam zusammen mit Experten über diese Fragen nachdenken!
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9. Juni 2009 um 17:41
Ich habe es so verstanden, dass Sie hoffen, die beobachtbare Aufhebung der Trennung von Journalismus und PR, Werbung, Verkauf würde an Grenzen beim Leser stoßen. Diese Hoffnung finde ich sehr löblich. Was mich etwas zur Sepsis mahnt ist, dass ich vor wenigen Tagen die dritte Mail bekommen habe, mit der Leser Weine bestellen wollten, die ich beschrieben habe. Eine Bestellung war sogar nach einem Verriss. Auch Bestellanrufe habe ich schon bekommen.
Ich sehe daher die reale Gefahr gar nicht bei den Printmedien selbst. Da können Zeitungen ruhig im redaktionellen Teil die Werbung für den eigenen Weinshop machen. Gefährlicher ist doch vielmehr, dass Leser sich selbst nur noch als Kunden begreifen und nicht mehr wissen, was Weinkritik überhaupt bedeutet. Vielmehr werden nur noch weichgespülte Texte verstanden.
Pingback: 6 vor 9: Call-In, Augstein, Weinjournalismus » medienlese.com
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25. August 2009 um 13:02
Ich benötige einen Tipp: wo finde ich etwas zur Geschichte der Weinkritik?