Über Mouton-Rothschild oder Margaux als Mit-Begründer des französischen Weinprestiges zu schreiben und auf der gleichen Seite für einen Bordeaux AOP in der 0,75 ltr Flasche für 1,99 Euro zu werben, schafft Aldi Süd aktuell. Auf der gleichen Seite ein verschwommenes Bild von Cos d’Estournel.
Daß man ungestraft in einem Atemzug einen Billig-Wein und sein mehr als 300 fach teureres Vorbild nennen kann, zeigt die Janusköpfigkeit des Bordeaux. Niemand würde einen Smart als einen Junior-Mercedes bezeichnen – bei der Bordeaux-Vermarktung scheint das ohne Weiteres zu funktionieren.
Scheint – denn die Wirklichkeit sieht wohl anders aus: auf der einen Seite ist zu lesen, dem Handel gehe nach 2009 und 2010 die Lust an den großen Châteaus aus, da nur sehr einseitig – nämlich in Bordeaux – verdient wird.
Mit Handel habe das System der „Allocations“, der Zuteilungen, wie sie bei den großen Weinen praktiziert werden, überhaupt nichts mehr zu tun, zitiert der Decanter gestern namhafte Händler. Man habe zwar alles verkauft, doch die Margen seien niedrig und dafür sei es „bloody hard work“.
In der aktuellen Wirtschaftswoche (print 29/2011) ist zu lesen, Bordeaux sei „Business und weniger Terroir“ und Online-Autor Lewis Perdue titelt zu den neuesten Nachrichten aus Bordeaux: More Boring News About Over-Priced Plonk. Nicht nur für den Handel scheint also nicht alles Gold zu sein, was glänzt. Und das Gros des Fachhandels hat mit diesen Weinen schon lange nichts mehr zu tun.
Auf der anderen Seite das Aldi Angebot – nach oben hin einem veritablen Cru Bourgeois für 4,95 Euro abgerundet. Dem Teuer-Image, das durch die Spitzen Gewächse bestimmt wird, versucht der Bordeaux-Verband CIVB seit Jahren mit der auf die Verbraucher-Länder abgestimmten Kampagne der „100 Bordeaux für alle“ entgegenzusteuern. Gleichzeitig wird nach neuen Märkten und Kunden gesucht: auf der Szene Messe Barzone in Berlin stellte der Verband kürzlich zum zweiten Mal Cocktails auf der Basis von Bordeaux-Weinen vor.
Deutschland ist einer der wichtigsten Absatzmärkte für Bordeaux – im absoluten Preiseinstieg. Macht Bordeaux deutschen Fach-Händlern Spaß? Wieder etwas mehr, wie man hört – aber auch da eher bei den moderaten Preisen. Nach wie vor kommt für die meisten zuviel Störfeuer von beiden Enden: von den Grands Crus und vom Discounter. Da muß man einfach zu viel argumentieren.
20. Juli 2011 um 10:14
Ehrlich gesagt fehlt mir irgendwie die Phantasie um mir vorstellen zu können, was ich für 1,99 in der Flasche haben soll. Egal ob das ein Bordeaux oder sonstwas ist.
Aber wie es aussieht verhält es sich bei der masse der Deutschen fast so wie mit dem Chianti. Der wird auch nur gekauft wenn er weniger als 2 Euro kostet. Man weiss ja wie man spart.
Nicht dass ich damit sagen will nur teuren Wein zu trinken, ganz im Gegenteil. Aber wenn es einmal unter die 2 Euro Marke geht, dann fehlt mir einfach das Verständnis dafür. Das hat für mich nichts mehr mit Wein trinken zu tun sondern nur mehr sich so billig wie mögliche Flüssigkeiten, die irgendwie nach Wein schmecken, hinter die Kiemen zu kippen.
20. Juli 2011 um 13:21
@Leo ….der durchschnittliche Import-Wert einer 0,75 ltr. Flsche Bordeaux-Wein lag in Deutschland 2010 bei 3 Euros – in China vergleichsweise bei 5,40 Euro. Die Chinesen kaufen in der Menge etwas weniger als wir – mit rasanter Entwicklung – da weiss man, wo die guten Qualitäten im Einstiegsbereich hingehen…
20. Juli 2011 um 11:22
Herrjeh, wie oft muss man das noch sagen? Der 1,99-Bordeaux verkauft sich genau deshalb (vielleicht sogar nur deshalb), weil es Mouton-Latour-Ausone … gibt. Das ist der Knackpunkt, den so viele in andere Regionen und Ländern nicht kapiert haben.
20. Juli 2011 um 13:22
Klar – die Frage ist nur, wie lange das noch gut geht…
20. Juli 2011 um 15:45
Das Schicksal jeder Blase ist, dass sie irgendwann platzt …
22. Juli 2011 um 00:17
Im Endeffekt eine gute Kampagne „100 Bordeaux für alle“.
Doch was bekommt man ins Glas ?
Was sagt der Verbraucher ?
„Bordeaux ist mir zu sauer“
„Ich mag lieber italienische Weine“
„Gute Bordeaux sind eh zu teuer“
Das Preisfenster bzw. das Interesse für gute Cru Bourgois oder Cru Artisan zu öffnen scheint mit der Kampagne immer noch nicht gelungen.
Es liegt m.E. auch nach wie vor daran, dass der Verbraucher den Unterschied von Herkunft (z.B. Bordeaux Superieur) und Klassifizierung der GCC nicht nachvollziehen kann. Ein „Grand Cru“ ist demnach immer ein absoluter Spitzenwein, schmeckt er nicht, wird das gern auf alle anderen Weine bezogen.