„Vergesst das ganze grüne, kratzige Zeugs, was man euch als Pinotage verkaufen will – das hat nichts mit dem zu tun, was Pinotage wirklich kann und was wir wollen“ sagte Beyers Truter, die lebende südfarikanische Pinotage-Legende, im Gespräch beim Pinotage–Seminar anlässlich der Cape Wine 2012.
Den Beweis, dass Pinotage etwas ganz anderes ist, traten er und seine Mitstreiter mit Weinen aus den letzten 50 Jahren an.Dunkle Beeren, samtige Fülle, schöne Reife
Hatte der 1964 Lanzerac Pinotage nur mehr historische Bedeutung – über die Hälfte der Seminarteilnehmer war damals noch gar nicht auf der Welt – war der 1975 Zonnebloem Pinotage noch voll da. Auch bei dem folgenden Kanonkop von 1999, dem Spier Private Collection 2004 und dem Rijks Pinotage 2004 war nichts von den krautigen, oft leicht animalischen Noten und dem adstringierendem „mouthfeel“ zu bemerken, dem man leider oft begegnet. Dafür intensive dunkle Beeren-Aromen, samtige Fülle, schöne Reife – trotzdem alles Weine mit Charakter und Wiedererkennbarkeit.
Noch keine hundert Jahre alt
Die Geschichte der Rebsorte ist noch gar nicht so alt – vor noch nicht einmal einhundert Jahren kreuzte Professor Abraham Izak Perold Cinsault mit Pinot Noir und pflanzte die ersten Rebstöcke 1925 in den Garten hinter seinem Haus in Stellenbosch. Perold hatte übrigens eine Verbindung nach Deutschland: seinen Doktor in Chemie bekam er von der Universität in Halle/Saale verliehen.
Es dauerte fast zwanzig Jahre, bis die ersten Pinotage-Reben kommerziell angebaut wurden. Der erste Pinotage Wein kam 1941 auf den Markt. In der Folgezeit hatte man viel zu lernen was den Anbau und die Vinifizierung anging. Es galt lange als ausgemacht, dass große Pinotage-Weine nur aus Rebbergen mit Gobelet-Erziehung – in Südafrika bush-vines genannt – stammen können. Die Erziehungsform kennt man von der südlichen Rhône und aus dem Midi. Mittlerweile lässt man sie auch auf Drahtrahmen wachsen – man weiss heute mehr über die Technologie und das Laubmanagement.
Wieder mehr Pinotage
Der internationale Durchbruch kam 1989 als Beyers Truter Winemaker of the Year bei der IWSC in London wurde. Die Pinotage erlebte damals seine Hoch-Zeit und machte sieben Prozent der Rebfläche in Südafrika aus – danach gab es einen leichten Rückgang. Der Export hat sich seither trotzdem verdoppelt. Beyers Truter meint, eine Renaissance im Anbau zu sehen – man setzte wieder mehr auf die eigenständige südafrikanische Rebsorte: 2010 – 12 wurden 300 Hektar neu angepflanzt.
Voraussetzungen für Top-Weine
Voraussetzung für große Pinotage-Weine seien das richtige Terroir, gut ausgereifte Trauben, eine open-top Fermentation und der richtige Holzeinsatz. Mit der Reife sei das so eine Sache, meinte Beyers. Früher habe man eine längere Reifeperiode gehabt – heisse Tage und kühle Nächte helfen die typischen Aromen besser zu entwickeln. Mit der Klimaveränderung steige der Zuckergehalt in den Beeren viel schneller und die physiologische Reife – wichtig fürs Aroma – halte oft nicht mit Schritt.
Barriques habe man sich damals nicht leisten können, sagte Dave Hughes. In den 70er Jahren hat Beyers erstmals damit experimentiert. „Pinotage and oak – there must be something on it“ habe er sich damals nach der Verkostung der ersten Weine gesagt. Das Holz leistet heute einen wichtigen Beitrag zum Profil großer Pinotage Weine. Ganz wichtig: man kann Pinotage jung trinken – leicht gekühlt „mit 10 – 12 Grad sogar zu Fisch und Austern“, wie Beyers schwörte – aber für große Weine braucht es Zeit. Man solle eigentlich vier bis fünf Jahre warten, bevor man den Wein auf die Flasche füllt.
Geschichten und Geschichte
Zum Abschluss stellte Beyers Truter seinen aktuellen Diesel Pinotage 2009 vor. Der Wein hat das Zeug zu einem weiteren Monument in der Pinotage-Geschichte zu werden. Auf dem Podium kam man ins Schwärmen und man fühlte sich mitten drin in der Pinotage-Familie mit ihren Geschichten und Anekdoten.
Die Rebsorte steht in gewisser Weise auch für dieses Südafrika-Gefühl – „wir gegen den Rest der Welt“ – aus der Zeit, als in London noch die Schaufensterscheiben eingeworfen wurden, wenn südafrikanische Weine ausgestellt wurden. Heute ist das längst vorbei. Die aktuelle Folklore dreht sich eher um sagenhafte Braai-Nächte – in our region we treat chicken as vegetarian – kernige Männer in freier Natur und ihre einzigartigen Hunde. Diesel war Beyers Lieblingshund und sein langjähriger Begleiter durch Weinberge und Keller. Von Diesel kann Beyers Truter genau so viele Geschichten erzählen wie vom Pinotage.
Kleiner Pinotage-Führer zum Download
Die Pinotage Association hat kürzlich einen Pinotage Führer herausgebracht. Er enthält die Geschichte der Rebsorte mit ihren Höhen und Tiefen, weinbauliche und oenologische Details und die Ergebnisse aller Pinotage Wettbewerbe. Er ist in als Taschenbuch erhältlich und man kann ihn hier als PDF Dokument herunterladen.
28. September 2012 um 21:53
Hallo Herr Pleitgen,
Sie erleben jetzt eine anscheinend gut durchgeführte Südafrika Wein Marketing Aktion mit ordentlichem Budget seitens der Ausrichter. Bemerkenswert natürlich auch die Südafrika Wein Werbeaktionen zur WM 2010 in D. Die Import-Zahlen SA Weine nach D sind wohl nicht schlecht. Nun stellt sich mir natürlich die Frage, welche Dinge kann Deutschland als Weinland vergleichbarer Größe (beide ca. 100.000ha) von Südafrika lernen. Denn so viel professionelle Werbung für einen Haufen belangloser Weine und ein paar interessanter Produkte scheint ja Wirkung zu zeigen.
Was sollte die deutsche Weinwerbung als Umkehrschluss in UK, USA, Skandinavien, Schweiz, Niederlande, Belgien,… leisten. Ganz zu schweigen von China, Indien, Brasilien & Co.
LG Felix Peters
29. September 2012 um 22:39
Hallo herr Peters,
deutsche Weine (Rieslinge!) sind doch derzeit sehr trendy – auch im Ausland – selbst in Südafrika…?!
Zwar ist dieser Trend evtl nicht so gestützt/verursacht durch einen Deutschen Verband; aber ich höre durchweg positive Rückmeldungen für Deutsche Weine auf internationalen Märkten.
Die Wosa (v.a. in D) zeichnet sich durch sehr engagierte Mitarbeiter aus, die schon seit Jahren eine mittel- bis langfristige Strategie mit relativ geringem Budget zu verfolgen scheinen.
Manchmal hilft es wohl auch bei allem Fachwissen und Professionalität einfach mal authentisch und locker zu bleiben und zu versuchen Spaß an der Sache (Wein) zu haben…
Grüße aus Stellenbosch,
Jan
P.S.: Also mit dem letzten Satz im ersten Absatz tue ich mich schon etwas schwer!? Ich gehe davon aus, dass die Mengenverteilung „belanglos vs interessant“ nicht speziell auf südafrikanische Weine gemünzt war?! Diese Aussage trifft doch quasi auf Weine aus allen Anbauländern zu?!
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