Vorreiter: Guide Michelin zukünftig nur noch online?

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Der Verlust des dritten A, die Euro-Kapriolen ihres Präsidenten – nichts soll die Franzosen nach Meinung  der FAZ zur Zeit so erschüttern, wie die Ankündigung der Firma Michelin, die vermuten lässt, dass der Rote Führer – Le Guide Rouge – nur noch online erscheinen wird.

BIB in Japan

BIB in Japan foto:eprouveze/flickr/CC BY-NC-SA 2.0

Zukünftig soll zudem auch noch jederman die Möglichkeit haben, seine eigenen Kommentare und Bewertungen in dem Portal zu veröffentlichen!

Ein Drama von nationaler Tragweite scheint sich da anzubahnen: „Wenn Sie wirklich  Kommentare zulassen, wird das einen Sturm im Metier auslösen“ pophezeite Großmeister Alain Ducasse dem Michelin-Chef Jean-Dominique Sénard, als der die Pläne für den papierlosen Führer letzte Woche in Paris einem erlauchten Kreis von Sterne-Köchen vorstellte. „Michelin will die Köche den Usern ausliefern“ titelte ein Gastro-Fachblatt sinngemäss.

Wie ernst und wie wichtig Michelin das Anliegen ist, zeigt sich daran, dass man sich wohl zum ersten Mal in der Geschichte des Führers ganz offiziell mit Köchen traf, wie Hôtelerie/Restauration schreibt.

Print ist nicht mehr zeitgemäß

Der Hintergrund: der Reifenhersteller sah (und finanzierte) den Führer als ein Service für automobile Reisende. Diesen Service wolle man auch weiterhin bieten – aber zeitgemäß und zu ökonomisch vertretbaren Bedingungen. Vor zehn Jahren verkauften sich noch 400.000 Exemplare, aktuell seien es gerade noch 107.000 – wieder 22% weniger als im Vorjahr. Der Verkauf befinde sich seit Jahren im freien Fall, weiss der MONDE in einem Beitrag.

Ein Teil der wegbrechenden Print-Auflage werde durch die APP fürs iphone und die Nokia-Telefone wettgemacht, so der Verlag. Aber je mehr sich die Smartphones und Pads durchsetzen, desto schneller wird die Auflage sinken. Kostendeckend soll der Führer wohl noch nie gewesen sein. Deshalb werde jetzt die Reissleine gezogen.

Der Führer soll in das Online Portal von Michelin integriert werden, schreiben französiche Zeitungen.  Zukünftig kann man dann mit einer kostenpflichtige APP oder einem Passwort auf die Michelin-Bewertungen zugreifen. Das Portal wird wie bisher allen offenstehen. Hier können Gastronomen ihre Etablissements in Zukunft bewerben – einschließlich eigener Texte, Fotos und Karten. 69 Euro soll so eine Präsentation im Schnitt kosten.

Man will also im Netz von beiden Seiten kassieren. Gleichzeitig wird auch intern umstrukturiert: die bisher für den Führer und die Karten zuständigen Mitarbeiter werden zukünftig in der ViaMichelin-Abteilung angesiedelt.

Die Umstellung auf online soll auch die nicht-französischsprachigen Ausgaben betreffen. Also schnell noch einen Führer kaufen – er wird demnächst wahrscheinlich unter Antiquitäten geführt!

Ein Signal für andere Publikationen?

Kann das Verschwinden eines gedruckten Michelin ein Signal für andere Publikationen sein? Online würde dadurch deutlich aufgewertet. Und warum sollte es dann noch einen Gault Millau, Hachette oder Aral in Buchform geben? Insgeheim wartet sicher schon der ein oder andere auf diesen Moment, um dann auch komplett ins Netz zu gehen, wo, wenn man es richtig macht, sogar noch Geld verdient werden kann.

Braucht es denn die Führer überhaupt noch? Es gibt Qype und jede Menge anderer Portale – aber für die Köche und auch die Statushungrigen würde etwas fehlen, eine ganze Industrie baut darauf auf.

Für die User, die sich vor ihrem Restaurantbesuch ausführlich von Sachkundigen informieren lassen wollen, gibt es noch ganz andere Möglichkeiten. In Berlin entsteht zur Zeit ein Portal, in dem Foodblogger ihre Artikel, Kritiken und Empfehlungen mit einer Suchmaschine und Karten verknüpfen. Superspannend! Berlin Food Info ist noch im Beta –  hier gibt es nächste Woche mehr dazu.

 

 

 

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3 Kommentare

  1. Noch einmal, obwohl es jetzt auf Facebook und G+ ausreichend klar gestellt wurde: Eine „Ankündigung der Firma Michelin, dass der Rote Führer – Le Guide Rouge – nur noch online erscheinen wird“, hat es nicht gegeben. Was es gab, war die Spekulation eines Le-Monde-Autors, der davon sprach, eine Einstellung der Druckausgabe „rücke näher“ oder „zeichne sich ab“. Das ist etwas absolut anderes, als eine Ankündigung oder gar vollendete Tatsache („Kann das Verschwinden des gedruckten Michelin ein Signal für andere Publikationen sein?“).

    Was passierte, ist, dass ein offenbar des Französisch nur unvollständig mächtiger Autor diese Spekulation in der Online-FAZ in eine Tatsachenbehauptung umgewandelt hat – ohne jegliche eigene Nachrecherche, versteht sich – und das diese dann als „Nachricht“ auf Facebook kolportiert wurde.

    So wird aus der klar erkennbaren Vermutung / Spekulation eines (Monde-)Redakteurs die Ente („Michelin will“) einer Zeitung für kluge Köpfe und die Nachricht eines Facebookers und Tagesspiegel-Redakteurs. Vom Verdacht zur Tatsache – im Handumdrehen.

    Journalismus 2012! Brave New World.

    • Danke für den Hinweis – die Ankündigung des Firmenchefs bei dem Treffen mit den Spitzen der Kochkunst betraf die Integration des Führers in den Online Auftritt. Insofern fehlt in der Überschrift ein Fragezeichen. Aber ich denke, die Tage der Print-Ausgabe sind gezählt – auch wenn dementiert wird – und das hätte dann schon einen großen Einfluß auf andere.

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