Werden die Wein-Blogger auch noch weiterschreiben, wenn sich herausstellt, daß damit definitiv kein Geld zu verdienen ist? Diese Frage stellte Steve Heimoff (WineSpectator/WineEnthousiast) auf seinem Blog und verwies auf einen interessanten Artikel aus der NY Times.
Wir würden heute weder von Christopher Marlowe, Thomas Kyd, Ben Jonson noch von Shakespeare etwas wissen, wären nicht damals in der Renaissance die ersten öffentlichen Theater entstanden, bei denen man Eintritt zahlen mußte. Das Geld warfen die Besucher in Sammelbüchsen, die nach der Vorstellung geöffnet und unter die Theaterbesitzer und Mitwirkenden geteilt wurden. Von diesen Einnahmen erhielten auch die Autoren einen Teil. 2010 fand man in London bei Bauarbeiten in der Nähes des Globe Theaters an der Themse solche Sammelbüchsen aus Ton.
Ohne das Geld hätten die Autoren nicht überlebt und noch viel wichtiger – durch das Geld entstand eine ganz neue Kultur: sie machte Marlowe, Kyd, Jonson und Shakespeare erst möglich! So Heimoff.
Das Theater für die Wein-Blogger gibt es schon – die Sammelbüchsen fehlen noch. Und deshalb sind viele wirklich gute Weinschreiber im Internet nicht oder nicht wirklich dabei. Wo sind sie geblieben, die renommierten Schreiber der eingestellten oder zusammengefahrenen Weinmagazine, die Weinbuch-Autoren? Oft publizieren sie lieber in no-name Verlagen in Miniatur-Auflagen oder sind im Print noch auf der Suche nach dem großen Coup. Ihre Webseiten haben Page-Rank nullkommagarnichts, 43 Freunde auf Facebook und noch nicht einmal eine Vanity URL. Haben sie die Zeichen der Zeit nicht verstanden?
Doch – ihnen fehlt im Netz immer noch das plausible Business-Model. Geld verdienen mit Wein-Blogging oder Weinseiten kann man noch nicht – von Ausnahmen einmal abgesehen, die sich an nicht mal fünf Fingern abzählen lassen. Auch die bezahlten Profi – Schreiber – die mit mehr oder weniger Sachverstand, Witz oder Galle versuchen, ihre Seiten zu monetarisiern, werden spätestens wenn ihre Geldgeber nicht mehr nachschiessen, verstummen.
Ein Großteil der Wein-Blogger wird trotzdem weiterschreiben: ein Kommentator zu Heimoffs Blog-Artikel erklärt warum. Er nennt verschiedene Motive, warum jemand im Netz über Wein schreibt:
1. Bloggers who exist here to drink for free – davon wird es immer welche geben
2. Bloggers who write just for the sake of it – eine aussterbende Spezies, denn denen wird alles zuviel
3. Bloggers who want to use their blogs to draw attention and see if they can make a buck – die Hoffnung stirbt zuletzt
4. Bloggers who just want to be famous and then from that ‘fame’ jump to commerce – die machen es nur eine bestimmte Zeit.
5. Bloggers who care about wine and want to share their enthusiasm with others – und die wird es immer geben.
Eine Kategory fehlt noch: die Leute, die über Wein schreiben, weil sie in der Branche ihr Geld verdienen. Das ist die Kategorie zu der ich mich zähle.
Shakespeare veranlaßte auf Heimoffs Blog den ein oder anderen zu dichterischem Werk:
All is but toys; renown and grace is dead,
The wine of life is drawn, and the mere lees
Is left this vault to brag of.
We are but bit players,
Wandering through life,
A Chardonnay here,
A Tweet there.
In the end, it matters not.
Diese Gedanken sind im Vorfeld zum Event „Wein im Web 2.0 – two years later“ entstanden. Am 5. März wird es eine 100° Oechsle Live Show direkt von der CEBIT in Hannover geben – in knappen 30 Minuten werden Dirk Würtz und Gäste (Matthias Metze – Delinat / Mario Scheuermann – Weinjournalist / Michael Liebert – Sommelier / Michael Pleitgen – Weinakademie) die aktuelle Szene beleuchten – Wie hat sie sich seit dem denkwürdigen Event von 2008 entwickelt? – Der Wein kommt diesmal von Tina Pfaffmann
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19. Februar 2011 um 11:06
Wenn sich das so herausstellen sollte, wäre es eine sehr positive Vision. Es würde einigen Druck aus dem Bereich Weinblog rausnehmen. Kaum noch böses Blut und schlechtes Gerede. Ich wäre jedenfalls glücklich darüber.