Wie lebendig ist die Weinblogger-Szene? Gibt es sie überhaupt noch? Warum hört man so wenig? Dies ließ sich kürzlich aus einem Blog-Beitrag herauslesen, der im Anschluß eine Online-Diskussion auslöste.
In der Diskussion ging es dann zwar mehr um Fragen des Stils und des Miteinander-Umgehens, aber die grundsätzliche Frage nach dem (Zu)Stand der Wein-Blogosphere bleibt. In der Tat ist es ruhiger geworden – nur noch wenige Kommentare auf den Blogs, ab und an einmal kleine, nach allen Regeln der Kunst inszenierte Scharmützel auf Facebook. Aber sonst?
Dynamik nimmt ab
Schon vor einem Jahr bescheinigte Theo Huesmann der Weinblogger-Szene eine abnehmende Dynamik Von Zeit zu Zeit kämen zwar noch neue Akteure hinzu – allerdings wesentlich weniger als noch vor 3- 4 Jahren. Auf der anderen Seite sei eine gewisse Professionalisierung zu beobachten. Huesmann hat mit genussblogs.net an die 1.500 genußaffine Blogs im Blick.
Man hat sich über die Jahre kennen gelernt, weis wie der andere tickt und hat die Attitüden aus der wilden Foren-Zeit abgelegt. Aggressive Neuankömmlinge werden von den „Alten“ mit den Spielregeln vertraut gemacht – und auch einmal abgemahnt. Nächtelange Online-Diskussionen gehören der Vergangenheit an. Jeder geht seinen Geschäften nach – leben und leben lassen heißt die Devise.
Ganz normaler Teil der Öffentlichkeit
Spätestens beim Vinocamp 2012 wurde klar, dass aus der „Szene“ ein ganz normaler Teil der Öffentlichkeit geworden ist: beim Eröffnungs-Plenum hatte man den Eindruck, die Blogger seien in der Minderheit – so viel Agentur- und PR-Volk war im Saal. Barmte man 2008 noch um Anzeigen, ist das heute kein Problem mehr. Regelmäßig möchte jemand Anzeigen schalten, links gesetzt oder Artikel geschrieben haben.
Damit erklärt sich auch die Selbstverständlichkeit, wie mit den Besucher-Zählern umgegangen wird. Wer beachteter Teil der Wein-Öffentlichkeit sein will – mit Infos versorgt, eingeladen, gehegt und gehätschelt werden will – braucht Zugriffs-Zahlen. Wer mit seinem Blog sein Geschäft befördern will, auch. Die Kunden sollen sicher sein, den Richtigen gefunden zu haben. Viele Besucher signalisieren Wichtigkeit und schaffen Vertrauen. Wer jetzt meint, das habe nichts miteinander zu tun: woran sollen sich die Leute halten, wenn im Netz jeder mit ein bisschen Design bedeutend aussehen kann?
Es wird weniger verlinkt
Die Blogger-Kultur von heute ist nicht mehr die von gestern: es wird nicht nur weniger diskutiert, sondern auch weniger verlinkt. in vielen Blog ist auch die Backlink-Funktion abgeschaltet. Steckt dahinter die Angst, die Aufmerksamkeit von der eigenen Seite ab- und auf andere Seiten zu lenken, wie unlängst jemand vermutete? Diese Tendenz gefährdet den Erfolg der Bloggerei – lebt sie doch gerade von den Verweisen. Sie machen die Lektüre interessant, eröffnen neue Perspektiven und sind auch vom Technischen her für das Ranking in den Suchmaschinen essentiell.
Liebhaber vs Profis
Technorati hat in seinem „State of the Blogosphere“ schon vor einiger Zeit fünf verschiedene Blogger-Typen identfiziert und benannt.
1) Hobbyist
2-3) Professional Part- and Full-Timers
4) Corporate
5) Entrepreneurs
Diejenigen, die bloggen, weil sie sich hobbymäßig einem Thema verschrieben haben und die Welt daran teilhaben lassen, sehen sich einer immer größer werdenden Gruppe von Profis gegenüber. Die Wein-Szene ist also nichts besonderes – für jede der Technorati-Typen lassen sich mühelos mehrere Beispiele aus der hiesigen Weinblog-Welt aufzählen.
Es ist also kein Wunder, wenn es bei den Blogs ruhiger geworden ist. Auch wenn oft von einer Streit-Kultur gesprochen wird – Streit führt kurzfristig zu erhöhten Zugriffszahlen und Aufmerksamkeit – für ein organisches Wachstum braucht es Zeit und Ruhe.
26. Juni 2012 um 11:39
Und woher kommt jetzt die neue Sachlichkeit? Das man sich besser kennt und weniger streitet? Bei vielen dieser Streits ging es ja auch nicht um dein Wein…
Über nachlassendes Interesse an Weintipps kann nicht berichten. Der Verbraucher will Tipps, was im Schmecken könnte, denn wenn er Geld ausgegeben hat und dann feststellt „schmeckt nicht“, dann ärgert er sich…
26. Juni 2012 um 14:24
Lieber Michael Liebert -genau daher und weil viele Blogs jetzt mehr an den Bedürfnissen der Kunden ausgerichtet sind. Und die wollen keinen Streit, sondern Information – wie Du richtig feststellst. Und ich denke auch die Werbetreibenden mögen die „Streithälse“ nicht…
Gruß aus Berlin
26. Juni 2012 um 12:12
Also ich bin auch der Meinung das das Vinocamp einen großen Anteil daran hat das das Verhältniss unter Weinbloggern sehr entspannt ist, man kennt und weiß miteinander umzugehen.
Ich habe die Hoffnung das das Vinocamp in Zukunft auch Impulsgeber für gemeinsame Aktivitäten sein kann die dann auch den Verlinkungsgrad wieder ein wenig fördern und unterstützen. Die Weinblogger müssen dafür nur mutig genug sein ihre Ideen dazu einzubringen.
Was die Diskussionskultur angeht, fürchte ich, die haben wir tatsächlich an Facebook verloren, ich sehe im Moment auch nirgendwo einen Plan wie man diese wieder zurück auf die Weinblogs bringt.
26. Juni 2012 um 14:31
Hallo Michael Pleitgen,
dann sind wir uns ja mal wieder einig… lach! Interessant wäre ja auch mal wieder ein Überblick, was die Zugriffszahlen der Weinblogger betrifft. Aber da lässt sich ja keiner mehr in die Karten sehen. Mein letzter Versuch eines Rankings ist ja auch schon eine Weile her: http://michael-liebert.de/weintipps/ranking-der-weinblogs-top-20-der-weinschreiber-im-juli-2011/ Bei Dir wäre so etwas doch viel besser aufgehoben?
26. Juni 2012 um 14:47
Es gibt auch noch die kleinen, regionalen Blogs die auch nur ein kleines und bescheidenes Publikum / Leserschaft ‚bespielen‘, somit aber auch in keiner ‚Bloggerstatistik‘ auftauchen (wie unsereins) und auch von den Events immer nur am Rande mitbekommen (Gott sei Dank gibt es Fb).
Und manchmal gibt es dann auch noch Gegenwind von der ‚professionellen Weinszene‘ die sich aufregt dass man über Wein schreibt, obwohl man sich nur zu gewissen Teilen auskennt (so what?). Aber es gibt auch die Profis die einen mal mit ins Boot holen (Danke M.G.Z. und M.K.) und fördern.
Dabei wollen wir mit unserem Blog nur eines: die Leidenschaft Wein weitergeben und auf (hptsl.) kleinere, Berliner Kiez-Weinfachgeschäfte hinweisen.
Gruß aus Berlin
Micha
26. Juni 2012 um 15:24
Genau diese von Technorati als Hobbyisten bezeichneten Blogger machen die Szene bunt …..
27. Juni 2012 um 12:00
Die Weinbloggerszene ist schon recht lebendig. Man sieht es nur nicht immer in der Anzahl an Blogbeiträgen oder an Verlinkungen. Die derzeitige Lebendigkeit zeigt sich darin, dass Blogger auch real was miteinander machen. Vor noch 6 oder 7 Jahren hat man sich einmal im Jahr auf der ProWein gesehen. Heute trifft man manche Blogger 10 mal oder häufiger im Jahr (Verkostungsveranstaltungen, VinoCamp, Hausmessen, Bloggerreisen, auf Weingütern …). Und das zum Teil auch zufällig. Lebendig ist es also.
Auch die Zahl der neuen Blogs gibt kaum einen Aufschluss darüber, wie lebendig der Bereich ist. Vielfach waren es neue Blogger, die von falschen Vorstellungen ausgingen. Einige der neuen Blogs haben sich in jeder der vergangenen Phasen etabliert. Das ist gut so. Aus meiner Sicht gibt es in deutscher Sprache jedoch zu wenige und vorallem zu wenig gute Blogs. Aber darüber was gut ist, kann man ja auch sehr lange debatieren. Da kann es aus meiner Sicht auch kein allgemeingültiges Rezept geben.
Was man nur beobachten kann, dass die Streits weniger geworden sind. Das halte ich für sehr gut. Denn wenn man sich mal in der Weinszene umhört: So etwas hat den Weinbloggern geschadet. Auch denjenigen, die sich da immer schön herausgehalten haben. Und genutzt hat es letztlich niemandem so wirklich.
Pingback: Linkdump vom 04. Juli 2012 Links synapsenschnappsen
17. Juli 2012 um 16:02
Ich glaube nicht das der Trend nach unten geht. Es gibt immer Menschen die über irgendetwas debattieren. Und da Geschmäcker ja verschieden sind, werden auch immer Themen wie Weine behandelt. Toller Blog.