Muß ein Verkäufer den Unterschied zwischen einem Champagner, einem Cremant, einem Sekt und einem Frizzante kennen?
Klar muß er das – denn er hat sie alle nebeneinander auf dem Regal stehen. Und wenn der Kunde sich nicht nur nach dem Preis entscheiden soll, dann muß der Verkäufer etwas über die Herkunft, die Rebsorten, den Anbau, die Herstellung und die Geschichte der Weine wissen. Aufgrund dieses Wissens werden die Preisunterschiede nachvollziehbar und indem er dem Kunden Kriterien und Argumente an die Hand gibt, erleichtert er ihm die Entscheidung.
Der große Unterschied zwischen dem Fachhandel und dem beratunglosen Lebensmittel- oder Discount-Handel liegt genau in dieser fachkundigen Beratung. Schließt eine solche Beratung Emotionen und Begeisterung aus – nimmt sie gar die Freude am Produkt?
In einer spannenden und letzte Woche mit viel Verve auf Facebook geführten Diskussion konnte man herauslesen, daß ein Teil der Diskutanten der Ansicht war, das Fakten-Wissen auf der einen Seite und Spaß und Begeisterung auf der anderen nicht zusammengehen. Beim Weinverkaufen komme es auf Emotion an und nicht auf technische Details – zum Beispiel welche Rebsorten man für Champagner verwenden dürfe. Das obige Beispiel dürfte diese These wiederlegen.
Marketing und Verkaufen hat mit Emotionen zu tun – eine Binsenweisheit. Ein großer Teil des Kontaktes zwischen Kunde und Geschäft läuft auf der Interaktions-Ebene – daß heißt, es geht um Kommunikation, Kundenbindung, Reaktion auf Beschwerden. Geht es um eine dauerhafte Kundenbindung, werden dafür Offenheit in der Kommunikation und das Eingehen auf Kunden-Anregungen von den Kunden selbst als sehr wichtig und positiv eingeschätzt. Noch wichtiger ist den Kunden aber die Dienstleistungsqualität und ganz vorne rangiert die Produktqualität (nach Bruhn, Kundenorientierung 2007). Das sollte man nicht aus dem Auge verlieren.
Um die Produktqualität beim Wein zu erfassen, braucht es Wissen. Dieses Wissen dem Kunden zugänglich zu machen – es mit den emotionalen Aspekten des Produktes zu verbinden, darin liegt die Kunst des Verkaufens.
Genau das tun von alters her die Geschichtenerzähler – sie setzen beim expliziten oder impliziten Wissen ihrer Zuhörer an und bauen darauf ihre Geschichte auf. „Storytelling“ als Methode „soll bewirken, dass das zu vermittelnde Wissen besser verstanden und angenommen wird“. In gewisser Weise sollte der Wein-Verkäufer ein Geschichtenerzähler sein – aber im Unterschied zum Märchen-Onkel oder der Märchen-Tante müssen seine Geschichten stimmen.
Diesen Zusammenhang versuchen wir übrigens in unseren Kursen bei der Weinakdemie den Studenten zu vermitteln.
24. Oktober 2011 um 14:12
Haargenau auf den Punkt gebracht: wahre, emotionale Geschichten statt verlogener Märchen.
24. Oktober 2011 um 15:09
Ein wesentlicher Aspekt bleibt leider völlig unerwähnt:
Der gute Geschichtenerzähler, der gute Verkäufer muss immer auch ein guter Zuhörer sein ! Denn nur wer gut zuhört kann auch freundliche Gespräche führen, kann auf den Kunden eingehen, sich Wünsche und Vorlieben merken und das Gespräch lenken.
Wenn der Kunde das Gefühl bekommt, man hört ihm zu, geht auf ihn ein und redet mit ihm, wird er zumeist auch zufrieden sein und wieder kommen.
Wenn er aber nur – pardon – mit Geschichten „vollgelabert“ wird, kann auch schnell der Eindruck eines Verkäufermonologes entstehen und das bleibt dann auf Dauer auch ein Einzelgespräch – bei ausbleibender Kundschaft.
Deswegen ist nebst Produkt- und Menschenkenntnis im Verkauf immer noch wichtig, Fragen zu stellen, Fragen, Fragen, Fragen !
Nur so kommt man ins Gespräch und Zeit für Geschichten bleibt zwischendurch immer noch.
24. Oktober 2011 um 15:26
@ Michael Rosenthal Genau – das ist die hohe Schule der Kunden-Orientierung. Und das wird von den Kunden geschätzt: sie möchten, dass ihre Anregungen ernst genommen werden + man auf sie eingeht!
Da gibt’s dann vielleicht einen, der möchte es garnicht so genau wissen, der nächste ist an Details interessiert. Fazit: ich muss es drauf haben!