„Ein solch gutes Ergebnis hatten wir nicht erwartet“ sagt Bianca Möller vom Deutschen Institut für Service-Qualität (DISQ) zur Service Studie Weinhändler 2011. „gleich vier von sieben untersuchten Firmen mit einem „Sehr gut“ – in anderen Branchen schafft das vielleicht einer!“
Die Branche, die sich auf ihr individuelles Angebot und ihre Beratung so viel zu gute hält, kann mit einem solchen Ergebnis zufrieden sein. Zurücklehnen kann sie sich nicht – denn es gibt sie: die unfreundliche Mitarbeiter, die keine Zeit für die Kunden haben. Berater, die nicht als solche zu erkennen sind, weil sie weder entsprechende Kleidung oder ein Schild tragen. Unübersichtliche Läden mit dunklen Ecken und engen Gängen. Oft muß der Kunde Hinweise zu der Herkunft oder Geschmacksrichtung der Weine suchen und auch die Beratung läßt in vielen Fällen zu wünschen übrig. Im Detail ist also noch vieles verbesserungswürdig.
Was wurde untersucht?
Im Rahmen der Studie wurden im Zeitraum von Juni bis September 2011 sieben Weinhändler mit mindestens neun Filialen in Deutschland analysiert. Pro Weinhändler fanden zehn Filialbesuche mit Beratung statt. Pro Unternehmen erfolgten sechs Besuche zur Stoßzeit (Montag bis Freitag 17 bis 19 Uhr sowie Samstag ganztägig) und vier Besuche zu einer weniger frequentierten Zeit (Montag bis Freitag vor 17 Uhr). Es wurde eine Beratung zum Thema Wein als Geschenk, Weinempfehlung für ein Menü und zur Einschätzung der Weinqualität abgefragt. Zusätzlich brachten die Testkunden bei jedem zweiten Besuch eine Beschwerde vor. Das Design der Studie entspricht dem Standard und läßt fundierte Aussagen zu.
Zu fragen ist, ob Systeme wie Barrique oder vom Fass sich mit Mövenpick, Jacques‘ oder Rindchen vergleichen lassen. Bei den ersten ist durch das teilweise Konfektionieren und Abfüllen im Laden eine höhere Personalpräsenz und Zuwendung zum Kunden notwendig als bei den anderen, die auf eine Mischung von Selbstbedienung und Beratung setzen. Die Studie untersucht nur die Kundensicht, was hinter den Kulissen passiert, kann sie nicht erfassen, so Bianca Möller vom DISQ.
Immer noch zahlreiche Schwachpunkte
Die Studie zeigt, daß es zahlreiche Schwachpunkte gibt, die mehr oder weniger in allen besuchten Unternehmen zu finden sind. Sie scheinen sozusagen „system-immanent“ zu sein. Auf diese Punkte hin sollte jeder Weinhändler seinen eigenen Laden von Zeit zu Zeit überprüfen.
In fast einem Drittel der Fälle wirkt das äußere Erscheinungsbild der Läden wenig ansprechend,zum Beispiel aufgrund des wenig gepflegten Eingangsbereichs. In einem Fünftel der Läden sind die Gänge zu eng oder die Filiale wirkt voll gestellt. In vierzehn Prozent der Fälle bemängeln die Tester den Geruch in den Verkaufsräumen.
Die Begrüßung klappt in den meisten Läden: bis zur ersten Kontatktaufnahme vergeht in der Regel nicht mal eine Minute. In 81% der Fälle geht das Verkaufspersonal auf die Kunden zu und bietet Hilfe an. Die Motivation der Mitarbeiter wird durchgehend positiv beurteilt – in einigen Unternehmen fehlt es aber in der Kompetenz der Beratung: bis zu 40% der Besuche verliefen hier nicht zufriedenstellend.
Was in Standard-Situationen einigermaßen funktioniert, läßt bei Beschwerden zu wünschen übrig. Bei einem Viertel der vorgebrachten Beschwerden reagierten die Mitarbeiter nicht ausreichend professionell und freundlich, zum Teil sogar ausgesprochen dilettantisch. Ob man hier schon einmal etwas von den positiven Wirkungen eines Beschwerde-Mangementes gehört hat?
Haben Franchise-Ketten ein sytem-bedingtes Problem?
Interessant: mit Mövenpick und Vino schneiden die Unternehmen am besten ab, die Regie-Betriebe führen, das heißt eigenen Läden mit angestellten Mitarbeitern. Hier scheint der direkte Durchgriff auf den Mitarbeiter vor Ort, der unmittelbar mit dem Kunden zu tun hat, größer zu sein, als bei den Franchise-Betrieben, wo der Partner vor Ort die Mitarbeiter einstellt und anleitet. Liegt hier vielleicht eine systembedingte Schwäche der Franchiseketten?
Eine straffe, an Zahlen und Margen ausgerichtete Personalführung, dezidierte Vorgaben für Waren-Präsentation und psychologische Schulung in der Kundenberatung scheinen sich auszuzahlen. Der Unterschied ist signifikant: zwischen Mövenpick und Jacques‘ liegen immerhin 10 Punkte. Dem Kunden ist es letztlich egal, wie es hinter der Theke aussieht, wenn er ein freundliches Gesicht zu sehen bekommt.
Die Kunden noch besser abholen
Es gibt also noch einiges zu tun – und das nicht nur bei den Ketten. Insgesamt muss der Weinhandel seine Kunden beim Einkaufserlebnis noch mehr dort abholen, wo sie heute stehen. Einkaufen haben die Kunden nämlich gelernt – und damit ein feines Gefühl dafür, wo es Spaß macht oder wo man nur hingeht, weil es keine Alternative gibt. Positive Beispiele sind die neuen Edeka, Kaisers, Rewe, DM oder Rossmann – in vielen Weinläden fühlt man sich heute aber immer noch, als habe es einen in eine alte Schlecker-Filiale verschlagen.
Die gesamte Studie kann beim Deutschen Institut für Service-Qualität (DISQ) bezogen werden.
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