Weinführer, Rankings und Prämierungen sind mit der Gault Millau Debatte wieder einmal in den Fokus gerückt. Was wollen die Veranstaltungen, was können sie bewirken und wie „gerecht“ oder „objektiv“ geht es dort zu. Ich habe dazu mit Hans Bättig, dem „Schweizer Sensorikpapst“ aus Luzern gesprochen. Er ist seit Jahren unangefochten für die technische Gesamtleitung der „Internationalen Weinprämierung Zürich“ (IWP Zürich) zuständig, die in der vergangenen Woche stattfand.
Die Weinprämierung gibt es seit 1983. Sie fand zunächst nur alle zwei Jahre statt, seit 2006 wird sie jährlich veranstaltet. Träger ist die EXPOVINA AG, die gleichzeitig Veranstalterin der herbstlichen Weinmesse auf den Schiffen auf dem Zürichsee ist. Die Weinprämierung ist der größte internationale Wettbewerb in der Schweiz. Als weitere bedeutende Wettbewerbe gibt es den „Grand prix du vin suisse“ und die „Mondial du Pinot Noir“ mit jeweils etwa 1500 Anstellungen.
Frage: Was ist das Besondere an der IWP?
Bättig: Die IWP Zürich soll eine Art Leistungsschau der am Schweizer Markt vertretenen Weine sein. Im Statut heißt es: Sie leistet einen Beitrag zur kundengerechten Vermarktung der eingereichten Weine. Daher müssen die angestellten Weine auch tatsächlich in der Schweiz erhältlich sein.
Frage: Wer kann Weine einreichen? Und wie viel kostet das?
Bättig: Ausschließlich Schweizer Produzenten können eigene Weine anstellen. Ausländische Weine können nur von Schweizer Händlern eingereicht werden. Eine Anstellung kostet 190 CHF pro Wein. Das sind ca 125 Euro. Die Weine müssen am Markt einen Netto-Preis von mindestens 8 CHF erzielen und es müssen mindestens 2.000 Flaschen verfügbar sein.
Frage: Wie wird probiert und wer vergibt die Preise?
Bättig: Es wird nach den Normen der Internationalen Önologuen-Union (UIOE) nach einem 100 Punkte Schema probiert. Den Degustatoren sind Jahrgang, Rebsorte und Region bekannt, aus der Wein kommt. Wir erwarten von den Degustatoren, dass sie sich in der entsprechenden Region auskennen. Die Erfassung erfolgt mit einem Computer-System, dass gleichzeitig ein Monitoring der einzelnen Degustatoren ermöglicht. Wir sehen sofort, ob jemand immer nur Mittelwerte vergibt oder bestimmte Vorlieben hat. Verkostet wird in 5er Jurys. Die Jury-Mitglieder werden von uns berufen: sie müssen eine Ausbildung im Weinfach haben und aktiv tätig sein. Sie müssen in der Lage sein, ihr Urteil fachlich zu begründen. Vor dem Wettbewerb gibt es eine Instruktionsrunde. 80% der Degustatoren kommen aus der Schweiz, da wir ja die Bandbreite des Schweizer Angebotes abbilden wollen.
Frage: Wie viele Weine wurden 2009 eingereicht? Gibt es irgendwelche Trends?
Bättig: Wir hatten dieses Jahr 2083 Anstellungen, davon 1251 Schweizer Weine. Von den internationalen Weinen kamen 692, also über 80% aus Europa. Traditionell führend sind die Italiener, gefolgt von den Spaniern und den Franzosen. Sogar 15 deutsche Weine waren vertreten. Traditionelle deutsche Weine treffen nicht unbedingt den Schweizer Geschmack, aber die modernen Rieslinge haben vielleicht eine Chance.
Frage: In Deutschland wird zur Zeit viel über Weinführer und Wettbewerbe diskutiert. Wie aussagekräftig kann ein Wettbewerb sein?
Bättig: In einem Wettbewerb werden immer nur die eingereichten Weine beurteilt. Man wird dort nicht d e n besten Wein finden. Aber wenn so wie in Zürich eine große Zahl von Anstellungen über die ganze Breite des Angebotes vertreten ist, ist das Ergebnis schon aussagekräftig. Wichtig ist, dass Ziel und Zweck von vorneherein allen Beteiligten bekannt ist. Damit wird auch Fehlinterpretationen und dem Missbrauch der Ergebnisse vorgebaut. Der Wettbewerb muß 100% transparent sein. Die Zürcher Veranstaltung wird zwar von einer privaten Gruppe getragen, aber die Durchführung obliegt der technischen Kommission. In ihr sind alle weinfachlichen Institutionen der Schweiz vertreten: angefangen von der Schweizer Weinhandelskontrolle, dem Verband Schweizer Önologen, den Hochschulen in Wädenswil / Changins bis zu den Vertretern der Weinbau-Regionen Deutschschweiz, Suisse Romande und Svizzera Italiana. Verbunden mit der Auflage, dass maximal 30% der angestellten Weine prämiert werden ist das ist sicher ein Grund für die hohe Akzeptanz der Veranstaltung.
Hans Bättig war auch am Zustandekommen des Schweizer Weinführers maßgeblich beteiligt. Er erschien jetzt in der dritten Auflage. Haben die Schweizer mit ihrer viel beschworenen Konkordanz auch hier ein Modell gefunden,bei dem Querelen a la Gault Millau vermieden werden?
Ein weiteres Interview demnächst hier!
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