Mario Scheuerman und Eckhard Supp haben die Quartals-Zahlen der Wein- und Foodpresse analysiert. Die Ergebnisse werden immer erschreckender: nach Supp steht VINUM mit aktuellen 13.351 Exemplaren = 69% seiner Höchstauflage von 2003 noch am besten da. Der Weingourmet aus dem Jahreszeiten-Verlag schafft heute nur noch 55% seiner einstmaligen Auflage. Deswegen gibt es ihn ab sofort nicht mehr. Auch die „Mutter“ Feinschmecker büßte im letzten Jahr 23% ihrer verkauften Auflage ein, minus 16.000 Exemplare.
Weiter wackeln (nach Supp, der für kurze Zeit dort Chef war ) „Essen&Trinken“ sowie „E&T für jeden Tag„, die nur noch 54% bzw 38% ihrer ehemaligen Höchstauflagen verkaufen. Auch „Living at Home“ und „Schöner Wohnen“ (alle aus der Gruner+Jahr Gruppe) dürften die nächste Zeit nur noch aufgrund von Marketing-Überlegungen des Verlages überleben. Mit rund 130.000 verkauften Exemplaren stehen die erstgenannten Food-Titel immer noch nicht wirklich schlecht da. Aber eines ist sicher: Abspecken ist angesagt, weniger feste Redakteure, mehr gekaufte Fotos. Mehr Anzeigen-Strecken und bezahlte Inserts. Die Magazine werden dadurch nicht besser. Und die Auflagen auch nicht.
Ironie des Schicksals: VINUM ist von seinem deutschen Verleger, dem Landwirtschaftsverlag in Münster bereits aufgegeben worden und steht seit einigen Monaten zum Verkauf. Der Objektleiter ist ab Ende des Monats suspendiert. Selbst das Konkurrenzblatt „Weinwelt“ vom Meininger Verlag (Weinwirtschaft) aus Neustadt a.d. Weinstrasse steht mit 11.473 Exemplaren und nur noch 65 % gegenüber der Höchstauflage von 2004 schlechter da als VINUM und dürfte dem Verleger wenig Freude bereiten.
Drei Fragen zum Schluss: wie sieht die Zukunft der Wein-Publizistik in Deutschland aus? Und: Wo informieren sich Wein-Fans und Profis zukünftig? Wann merken die Winzer, dass sie für Anzeigen und Berichterstattung in den verbleibenden Zeitschriften viel zu viel Geld ausgeben?
23. April 2009 um 19:35
Tja, traurig, aber nicht unerwartet. So gerne ich in etlichen dieser Zeitschriften geblättert und gelesen habe: Richtig brauchen konnte man da nur weniges. Viel Optik, reichlich „Weinsprech“ (die meisten anderen Journalisten schüttelts beim Lesen) und viel Hofberichterstattung.
Zwei der drei Fragen zum Schluss sind schnell beantwortet: Die Zukunft der Weinpublizistik liegt in Nutzwert und Aktualität. Wein-Fans und Profis informieren sich im Web.
Die dritte Frage finde ich am schönsten (auch wenn sie unbeantwortet bleiben muss): „…dass sie für Anzeigen und Berichterstattung … zu viel Geld ausgeben?“ Vor allem das „und“ ist doch kennzeichnend. Denn normalerweise kostet Berichterstattung nix.
Seitdem ich weiß, dass Autoren mancher Weinzeitschriften den Winzern für ein „Budget“ die positive Veröffentlichung in diesen Medien angeboten haben, also zweimal kassiert haben von Redaktion und Winzern, habe ich da relativ wenig Mitleid. Auch nicht mit den Winzern, die sich in diese Berichterstattung „eingekauft“ haben. Von Journalismus will ich in diesem Zusammenhang nicht reden.
26. April 2009 um 07:49
Es wäre einmal interessant, zu wissen, warum die Wein-Publikationen so wenig Leser finden. Vielleicht ist es die Zunahme von Gratis-Medien? Warum soll ich zum Beispiel als Württemberg Fan noch das VINUM kaufen, wenn die gleichen VINUM Redakteure auch für das gut gemachte Gratis-Weinkulturmagazin von der Weinwerbezentrale schreiben?
27. April 2009 um 10:30
Ich glaube ja, es ist umgekehrt: Die Leser merken, dass in den Bezahl-Veröffentlichungen auch PR veröffentlicht wird. Nicht als Anzeige gekennzeichnet. Und dafür will man dann kein Geld mehr ausgeben.
Nach meiner Einschätzung gibt es drei Ressorts (Wein, Reisen, Auto), wo diese Verflechtung so eng und auch für den Nicht-Journalisten klar erkennbar ist. Ich habe nichts gegen Werbung und PR, im Gegenteil. Ich will sie nur nicht als objektive und sachkundigen Information eines unabhängigen Journalisten verkauft bekommen.