Es geht bei der Definition einer Marke nicht in erster Linie um die Bilder und die Gefühle in den Köpfen der Wein-Kunden – es geht zunächst um ganz grundlegende Fragen, die zu beantworten sind. Habe ich überhaupt ein Produkt oder eine Leistung, mit der ich mich vom Wettbewerb unterscheide? Ist das Produkt so weit in Ordnung, dass ich es zum Mittelpunkt meiner Marken-Überlegungen machen kann?
Wendelin Grass von Consilium Thüngersheim in Franken zeigte das beim Weinmarketingtag in Heilbronn am Beispiel der Neu-Ausrichtung und Umbenennung seiner Genossenschaft. „Wir wollten unbedingt vermeiden aus der zweiten Reihe zu starten – wenn das Produkt nicht stimmt, hat man sofort ein Handicap“ sagte er „deshalb mussten wir sicher sein, dass wir wirklich Top-Produkte im Keller hatten“. Wichtig bei der Entscheidung sei auch eine funktionierende Vertriebsstruktur gewesen – Haben wir den Zugang zu unseren relevanten Märkten? – war hier die Frage. Und zu guter letzt, aber von entscheidender Wichtigkeit, die Frage wo das Wertschöpfungspotential der Winzergenossenachft liegt und wie die Kostenstruktur im Betrieb aussehen.
Von WG Thüngersheim zu CONSILIUM
In Thüngersheim habe dort die größte Sprengkraft gelegen. Beispiel: Muss eine Winzergenossenschaft mit 175 ha unbedingt eine eigene Abfüllung haben oder kann man das auch mit Partnern oder im Lohn erledigen? Wie schaut es mit dem Sortiment aus? Sind über 200 Artikel nicht viel zu viel?
Erst als man diese Fragen alle geklärt hatte und Betrieb und Sortiment einer deutlichen Veränderung unterworfen hatte, konnte man tatsächlich daran gehen, den Namen, den Slogan, die Bilder und Logos zu ändern. Einem Betrieb eine Marke überzustülpen und sich so einfach nur ein neues Mäntelchen in der Kommunikation umzuhängen, funktioniere auf die Dauer nicht. Alle Aussagen der Marke müssten in der Realität überprüfbar sein.
Die Thüngersheimer mussten sich seinerzeit sehr beeilen: die kleine Ernte 2010 brachte die einmalige Chance, ohne Mengendruck in die Veränderung zu gehen. Es war klar, dass man bei einer solch radikalen Veränderung, den ein oder anderen Kunden verlieren würde, der den neuen Weg nicht mitgehen konnte oder wollte. Deshalb wurde die Umstellung auf die neue Marke in „Consilium Thüngersheim“ in wenigen Monaten zwischen der Ernte und der Füllung des neuen Jahrgangs vollzogen.
Ein langwieriger Prozeß
Das solch ein Prozeß der Markenfindung auch wesentlich länger dauern kann – über Jahre hinweg – zeigte ebenfalls beim Marketingtag das Beispiel Bürklin-Wolf. Wie Geschäftsführer Steffen Brahner in seinem Vortrag erklärte, wurden hier zunächst die Kern-Leistungen und Produkte identifiziert. Es wurde gefragt, wofür das Weingut steht , was es unverwechselbar macht und welchen Nutzen eine Marke Bürklin-Wolf nach innen und aussen bringen kann?
Aus dem Prozeß, in den neben dem Betrieb auch die Kunden mit einbezogen wurden, ergab sich, dass Bürklin-Wolf für trockene Spitzenrieslinge steht, die aus den wertvollsten Lagen Deutschlands stammen. Diese Aussage wurde zum Begriff „Terroir“ verdichtet – mit entsprechenden Konsequenzen für das Weingut: Konzentration auf Riesling und einige wenige weitere Rebsorten, Herausstellung der besten Lagen.
Alle Äußerungen des Weingutes wurden auf diese neue Definition hin abgestimmt. Dort wo auf der Preisliste früher zwei Flaschen zu sehen waren, findet sich heute ein Foto eines der beiden Arbeitspferde des Weingutes – ein Hinweis auf die biodynamische Arbeitsweise. An anderer Stelle ist statt einem belanglosen Foto mit Blick in die Rebberge, eine alte Zeichung zu sehen, die auf die lange Geschichte eines der größten Privat-Weingüter Deutschlands hinweist.
Ganz wichtig ist bei Bürklin-Wolf die Einbeziehung der Mitarbeiter: jeder erhält einen Auszug aus dem Markenhandbuch und erarbeitet in Workshops und Schulungen, was die neue „alte“ Marke für seinen Tätigkeitsbereich konkret bedeutet.
Marke im Wein, so wie in Thüngersheim oder bei Bürklin-Wolf verstanden, hat nichts mit „Markenwein“ zu tun, sie erlaubt die Stellung eines Betriebes im Wettbewerb zu definieren und ihn für die Zukunft aufzustellen.
11. Mai 2012 um 13:00
Leider verstehen die meisten Erzeuger, und bei weitem nicht nur hierzulande, unter Marketing immer nur Reklame … (und oft von der billigsten Sorte).
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