Wenn Facebook mir signalisiert „Weinhotel im Alpental“ oder „Kräuterfex aus Stadtlandfluss“ möchte dein Freund sein, weiss ich schon, was mich erwartet.
Spätestens dreißig Sekunden nachdem ich den Kontakt bestätigt habe, wird die aktuelle Preisliste aus dem schneesicheren Schneckefischbach (bis zum 1. Mai garantierte Abfahrt bis zur Talstation!) an meine Pinnwand gepostet und ab sofort bekomme ich das Menü und die tages-aktuellen Angebote eines verzweifelten Kräuter-Kochs aus der Pampa unaufgefordert zugestellt, der gerade die Möglichkeiten von Facebook entdeckt hat. Da darf ich dann noch froh sein, wenn die Angebote aus der näheren Umgebung kommen und für mich vielleicht irgendwie doch relevant sein könnten. Alles andere ist nicht nur Spam, sondern ganz schlecht gemachter Spam.
Abwehrmaßnahme: weil ich nicht mit einem Weinhotel sondern maximal mit seinem Besitzer befreundet sein mag, landet die Freundschaftsanfrage im Nirvana. So wie bei immer mehr FB-Nutzern. Sollte das Weinhotel mit einer Facebook-Page kommen und mich fragen, ob ich es unterstützen möchte: gerne!
Und der Kräuterfex? Der soll mal schön langsam machen: bin ich der richtige Freund für ihn? Hat er etwas zu erzählen? Oder soll ich ihm nur als Reklametafel dienen?
Wer Social Media als große Plakatwand versteht, hat nichts begriffen. Genau so wenig, wie die Leute, die das Netz nach ihren Keywords durchforsten und dann auf meine Blog-Artikel stossen. Nach Jahr und Tag gibt’s dann einen Kommentar zu einem Artikel nach dem Motto: „hier bestellen“ oder „das Super-Angebot“ verbunden mit einem Link. Das sind eher die Net-Novizen. Wer etwas länger dabei ist, schreibt noch ein paar Zeilen, die tatsächlich etwas mit meinem Text zu tun haben und platziert dann gut verpackt seinen Link. Aber auch das spricht für schlechten Stil.
Hier wird einfach die gute Platzierung meiner Artikel in den Suchmaschinen benutzt, um sich oder die Optimierungs-Kunden nach vorne zu bringen und nebenbei noch etwas von meinem „Link-Juice“ zu saugen. Ohne es zu wissen, schädigt mich der Kommentator sogar: Junk-Links führen bei den Suchmaschinen zur Abwertung.
Abwehrmaßnahme: in meinem Fall (wordpress blog) haut Akismet die dümmsten Sachen schon mal im Vorfeld weg, da brauche ich nur auf OK zu drücken. Alles andere schicke ich manuell in den Orkus.
Warum soll man so rigide sein? Das mag sich jetzt elitär anhören – ist es aber nicht: da sind ganz praktische Erwägungen im Spiel. Wir Blogger oder Facebooker werden alle immer uninteressanter für unsere Leser, je mehr wir uns zumüllen lassen. Social Media darf nicht zu einer billigen Plakatwand verkommen! Schon jetzt haben wir das Etikett der Schwatzbude! Und dann macht es auch noch einen Haufen Arbeit, die Spreu vom Weizen zu trennen.
Wer etwas zu sagen hat, wird sich auch im Netz behaupten und wer Unterstützung braucht, wird auch die im Netz finden – er muss nur zuhören und fragen. Wenn er ein gutes Angebot hat und höflich ist, wird er jede erdenkliche Förderung bekommen. Alles andere landet im SPAM – Filter.
Das Thema kann ich mir gut als Diskussionsgrundlage für das Vinocamp vorstellen – ich freu mich auf Kommentare!
8. April 2011 um 10:39
Sehr gut. Kann ich teileweise bestätigen. Weiter so :)
8. April 2011 um 11:08
Manueller Blogkommentarspam macht mich bisweilen ratlos und es fällt mir teilweise sogar schwer zu entscheiden was SEO Dreck ist und was ein ernst gemeinter Kommentar ist.
8. April 2011 um 11:45
Ein Teil des Problems mag aber auch sein, dass kaum ein Wein- oder Foodblogger sich der Tatsache bewusst ist, dass die Vermengung von Identitäten latent gefährlich ist.
Wer spricht denn nun, wenn z.B. ein Winzer auf Facebook postet? Der Privatmensch oder der Kaufmann? Ich als Konsument lerne ihn als Weinbauer kennen, freue mich aber auch, wenn er mich in seine private Sphäre mitnimmt.
Für mich ist Foodbloggen privat und auch mein Facebookaccount. Aller Businessquatsch hat dort nichts zu suchen. Dass ich mich beruflich auch mit Bloggen und PR beschäftige, erfährt dort niemand.
Wer das aber vermischt – und z.B. keine Grenze zieht zwischen einem Corporate Blog und einem privaten – hat es schwerer, angemessen zu reagieren.
Im Übrigen ist Netzwerken arbeitsintensiv – ob nun online oder im „real life“. Und Spinner gibt es überall…
PS
Eine solche Session im Vinocamp würde ich gerne unterstützen!
8. April 2011 um 15:16
@joerg Ich sehe das auch als Problem: man muss sich halt mit „privaten“ äußerungen sehr zurückhaltend sein
Pingback: Linkdump vom Fr, 08. April 2011 bis Sa, 09. April 2011 Links synapsenschnappsen
16. April 2011 um 21:35
„Wer spricht denn nun, wenn z.B. ein Winzer auf Facebook postet? Der Privatmensch oder der Kaufmann? Ich als Konsument lerne ihn als Weinbauer kennen, freue mich aber auch, wenn er mich in seine private Sphäre mitnimmt.“
Der Winzer muß zwangsläufig Kaufmann sein, aber in den seltensten Fällen kann er Beruf und Privatleben voneinander trennen.
Den Winzerberuf kann man nur leben, nicht machen; er ist kein „Job“, der nach einem 8-Stunden-Tag abgehakt ist. Insofern fließt immer ein wenig Privates ein, selbst wenn nur eine Meldung wie „Wein x ist ausverkauft“ gepostet wird – denn auch darin liegt entweder Bedauern – oder Genugtuung.