Der stationäre Handel ist nicht tot – aber immer mehr Läden leiden unter dem Angriff der Online-Händler. Über alle Branchen wird sich der Online-Anteil bei 15-20 Prozent einpendeln, schreibt die Wirtschaftswoche (WiWo) in einem Dossier mit dem Titel „Schluss-Verkauf“ . Einige Sortimente hat es früher und heftiger erfaßt als andere:
bei Consumer-Elektronik liegt der Online-Anteil aktuell bei knapp 20 Prozent, im Buchhandel sind es schon 40 – mit wachsender Tendenz. Den Schuhändlern gehen Zalando und Co an den Kragen, auch bei Textilien legen die Onliner stetig zu.
Die Front verläuft nicht zwischen stationär und online
Im Weinhandel wird gerne lamentiert und über die bösen Onliner geschimpft, die die Preise kaputtmachen. Dabei geht es garnicht um eine Frontstellung Stationär gegen Online: viele reine Onliner eröffnen Geschäfte, in denen die Kunden ihre Angebote „hautnah“ erleben können.
Die WiWo bringt unter anderen ein Beispiel eines Textilherstellers aus den USA, der trendige Läden eröffnet, in denen die Kunden seine Kollektion anprobieren können. Die Läden in den superchicken und teuren Innenstadtlagen können klein gehalten werden: es gibt kein Lager – seinen Einkauf bekommt der Kunde spätestens am nächsten Tag nach Hause geliefert.
Onliner denken über Shop-Konzepte nach
Eine echte Blaupause für ein Weinhandelskonzept – an der Logistik sollte es nicht fehlen: an der „same day delivery“ arbeiten ja bereits einige Händler. Der Vorteil eines solchen „Tastingshop-Konzeptes“: man könnte dort sein, wo es seit einiger Zeit wieder mehr Kunden hinzieht – in die trendigen Innenstädte, wo die Leute nach Kauferlebnis suchen. Parkplatzproblem adé!
So neu sind die Gedanken nicht: beim Fachhandelsworkshop in Heilbronn meinte Dieter Stoll von VINEXUS in seinem Vortrag, er sei sich nicht sicher, ob man im Wein als Pure Player langfristig überlegen kann. Deshalb müsse man früher oder später über eigene Outlets oder über geeignete Partner nachdenken.
Kunden kaufen, wo sie die meisten Vorteile für sich sehen
Beide Kanäle – stationär und online – haben ihre Stärken!
Man sollte sie viel mehr als bisher aus der Sicht der Kunden betrachten: der Kunde kauft dort, wo er für sich die meisten Vorteile sieht!
Riesenauswahl, Tag und Nacht einkaufen und jede Menge Informationen und Meinungen zu den Produkten gehören zu den Stärken des Online-Handels. Für den stationären Handel sprechen die sofortige Mitnahme, die Beratung und das Einkaufserlebnis – zitiert die WiWo aus einer Studie der Bain Company.
Bei manchen Einkäufen nutzt der Kunde auch beide Kanäle: im Geschäft kann er die Waschmaschinen anfassen, aufmachen, ihre Verarbeitung begutachten – online vergleicht er die Preise und kauft bequem ein. Weil der Händler eventuell zu teuer ist, bei der Lieferung zu unflexibel oder ganz einfach nicht entdeckt hat, mit welchen Zusatzleistungen wie Beratung, Aufstellen, Montage, Altgeräte-Entsorgung oder Wartung er beim Kunden punkten kann.
Stichwort Einkaufserlebnis
Aus dieser Überlegung ergeben sich Ansatzpunkte für den stationären Weinhandel: was kann er als einzigartige Leistung bieten? Denn bei Sortiment und Preis hat er von vorneherein schon verloren. Welches Einkaufserlebnis kann der Händler dem Kunden bieten?
Lebensmittelhändler machen es vor – weil Aldi und co immer mehr zu Supermärkten mutieren, verwandeln sie ihre Läden in Food- und Genusserlebniswelten. Beispiele kann man auf Youtube bei den LebensmittelPraxis Videos zum Supermarkt des Jahres anschauen: EDEKA Zurheide in Düsseldorf oder REWE Homberg und Budnik in Dortmund.
„Der Onlinehandel ist kein böser unbekannter Feind – “ haben selbst Buchhändler erkannt „online ist ein Verkaufskanal. Einen den man selbst nutzen kann. Und einer mit hohen zweistelligen Wachstumsraten. Ein Händler, der sich einem solchen Markt verweigert, ist einfach nur ein schlechter Händler und hat sich seinen Konkurs selbst zuzuschreiben“ kommentiert ein Buchhändler eine Anti-Online-Kampagne von Kollegen.
Halbe Sachen funktionieren nicht mehr
Eines wird allerdings immer klarer: will man den Kunden online und stationär bedienen, muss beides perfekt sein. Es wird für den Onliner nicht reichen, einfach ein paar Läden hinzustellen – er muss sich schon wirklich auf das Geschäft vor Ort einlassen. Genauso wenig erfolgreich wird der stationäre Händler, der ein Webshop von der Stange ins Netz stellt – er wird schon den ein oder anderen e-commerce Spezialisten einstellen müssen.
Wie stationär und online im Weinhandel zusammenfinden können, wird eines der Themen bei der Veranstaltung von Wein+Markt und Weinakademie Berlin beim PROWEIN Forum Halle 7.1 am Sonntag, 24. März um 15 Uhr sein.
Das Buch zum Thema:
No-Line Handel – Höchste Evolutionsstufe im Multi-Channeling von Gerrit Heinemann, Verlag Springer-Gabler 2012, 39,35 €
22. April 2013 um 20:56
Hallo Herr Pleitgen, wenn Sie so schön schreiben einen Spezialisten einstellen für den Online-Shop trifft dies den Nagel auf den Kopf. An einen Onlineshop hängt um ein vielfaches mehr Arbeit als man zunächst denkt. Ob das ein Spezialist schafft möchte ich aber bezweifeln. Das Onlinegeschäft ist so vielfältig, das schafft kaum einer alleine zu überblicken.
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