Oscar Bordegnon (45) ist LKW-Fahrer. Vier seiner fünf Kinder sind schon groß. Der Älteste verdient sein eigenes Geld, die Jüngste geht noch in den Kindergarten. Wie viele Leute hier hat er hinter seinem Haus in einem Vorort von Mendoza noch einen halben Hektar Reben.
Vier Tage in der Woche ist er mit seinem LKW unterwegs, den Rest der Zeit arbeitet er in seinem Weinberg oder hilft seinem Onkel Miguel, der nebenan einen Hektar bewirtschaftet. Den Weinberg kann man hier nie allein lassen: Mendoza ist eine Oase in einer Wüste mit kontinentalem Klima. Wenn nicht ständig bewässert wird, vertrocknet alles.
Oscar bekommt seine wöchentliche Zuteilung zu einer bestimmten Stunde zu einem bestimmten Tag. Da muss alles vorbereitet sein – das Wasser soll jeden Winkel des kleinen Weinbergs erreichen. Das Wasser kommt von den Anden und wird nach einem komplizierten Sytem verteilt. Es stammt aus der Inka-Zeit, ist aber sehr ineffizient: in den offenen Gräben kommt nur 50% der Wassermenge an. Die viel effektivere Tröpfchenbewässerung kann sich Oscar, wie all die anderen Klein-Bauern, nicht leisten.
Seit 2005 ist Oscar Mitglied bei „Vina de la Solidaridad„, einem der beiden Fairtrade Projekte in Argentinien. Warum – Argentinien ist doch nicht dritte Welt? Dazu muß man wissen, wie die Zusammenarbeit zwischen den kleinen und großen Weinbauern und den Kellereien funktioniert. Die Bauern haben keine Möglichkeit ihre Trauben selbst zu vinifizieren und zu vermarkten. Sie liefern ihre Ernte bei den großen Kellereien ab, oft ohne vorher zu wissen, welchen Preis sie dafür bekommen. In welche Qualitätsklasse sie eingestuft werden, bestimmt die Kellerei. Gibt es eine große Ernte sind die Preise extrem niedrig. Die Bezahlung erfolgt manchmal erst nach einem Jahr oder später. Das Risiko ist ziemlich einseitig verteilt.
2005 gründeten einige Weinbauern die „Vina de la Solidaridad“ und schlossen einen Vertrag mit der Furlotti-Kellerei für die Verarbeitung der Trauben. Die Furlottis gehörten mit über 3.000 Hektar zu den großen Wein-Dynastien in Mendoza. In der Krise der 70er Jahre verkauften sie drei ihrer vier Kellereien. Gabriela Furlotti, die Enkelin der Gründer suchte für die Kellerei nach einem alternativen Geschäftsmodell, um den Betrieb ihrer Großeltern fortzuführen. Sie fand auf der einen Seite Investoren und auf der anderen Seite half sie mit, die „Vina de la Solidaridad“ zu gründen. Bauern und Kellerei sind so sehr eng miteinander verbunden – ein Glücksfall.
Die Kellerei verkauft etwa 200.000 Flaschen jährlich unter den Namen Amaranto und Soluna mit dem Fairtrade Siegel.
Um das Fairtrade Siegel tragen zu dürfen, müssen die Mitglieder die Auflagen der Fairtrade Organisation erfüllen: es muß eine demokratische Selbstverwaltung der Produzenten geben, der Minimum-Preis für die Trauben muß mindestens dem Marktpreis entsprechen, Kinderarbeit ist nicht erlaubt, Mindestlöhne und Arbeitsschutzbestimmungen sind einzuhalten.
Die Fairtrade Produzenten erhalten aus den Lizenzeinnahmen der Fairtrade Organsiation eine Prämie, die sie unter sich auftzeilen können. Die mittlerweile 26 Weinbauern in Mendoza zahlen einen Teil davon aus, ein anderer Teil geht in einen Emergency Fond. Von der ersten Prämie hat Oscar ein paar notwendige Geräte für seinen Weinberg gekauft, im nächsten Jahr einen Computer für seine Kinder und letztes Jahr hat er einen Zaun um sein Haus gebaut. Marcela fühlt sich so geschützter – die meisten Nachbarn haben hohe Mauern um ihr Anwesen, aber das war für die Bordegnonis unerschwinglich.
Man trifft sich, man diskutiert, stimmt ab und feiert zusammen – zum Ende der Ernte zum Beispiel. Die Agrar-Ingenieurin Laura Bardotti kümmert sich um die Mitglieder – sie ist das Verbindungsglied zur Kellerei. Durch „Vina de la Solidaridad“ sei ein ganz neuer Zusammenhalt unter den Produzenten entstanden.
Es wären Sachen möglich, an die man früher imTraum nicht gedacht hätte, sagt Bardotti. Man hilft einander bei der Arbeit und als letztes Jahr das Pferd von Oscars Onkel Miguel gestohlen wurde, entschied die Versammlung, dass es sich um einen Notfall handele – ohne Pferd hätten Oscar und Miguel nicht weitermachen können. Als wir Oscar und seine Frau vor Ort besuchten, guckte aus dem Stall hinterm Haus ein neugieriges Maultier hervor – bezahlt aus dem Emergency Fund von „Vina de la Solidaridad„.
Infos zu den Weinen und zum Projekt gibt es hier
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