Muß man als Firma wirklich in Facebook, Twitter oder anderen Social Media Kanälen präsent sein? Während auf der einen Seite zum Beispiel Jochen Henke auf PR Blogger meint, man komme nicht umhin, weil mittlerweile 40 Prozent der Onliner (mit steigender Tendenz) ein eigenes Profil in mindestens einem Netzwerk hätten, mahnen andere zum Nachdenken. „Lawinengefahr fürs Image“ titelt der Stern und weist auf Fallstricke hin. Oft fehle selbst in großen Unternehmen eine klare Strategie.
Einen interessanten Ansatz lieferte Dr. Georg Kolb Business Director straightto/direktzu GmbH beim Social Media Breakfast in Berlin am Dienstag dieser Woche.
Kolb meint, bei der Definition einer Kommunikations-Strategie stelle sich auch bei der Betrachtung von Social Media für Unternehmen die Frage nach der Relevanz und den Ressourcen. – Verzettele ich mich? – Muß ich wirklich mit all den Leuten reden? – Einfach losmachen kann seiner Ansicht nach fatale Folgen haben. Man solle vorsichtig sein und nicht irgendwelchen Mythen aufsitzen, die sich um das MitmachWeb ranken.
Er unterscheidet vier klassische Kommunikations-Situationen und deren Affinität zu Social Media
one to one –
- nach wie vor durch nichts zu ersetzen, heute nicht mehr in jedem Fall face to face aber durch Telefon , Videokonferenz und email vermittelt. In dieser Disziplin muß jedes Unternehmen und jeder Verantwortliche nach wie vor gut sein.
one to many –
- viele meinen, diese Kommunikationsform habe sich mit dem Social Web überholt. Nach Kolbs Ansicht ist die Pressemeldung als deren klassischer Vertreter nicht tot. Sie feiert auf den zahlreichen Open Plattformen fröhliche Urständ. In der Diskussion wurde darauf hingewiesen, daß Twitter für viele Journalisten heute wie ein Ticker funktioniert. Mun muß als Sender allerdings sehr genau schauen, wer unpersönliche Pressemeldungen und Nachrichten denn auch akzeptiert. Falsch adressierte Botschaften bringen schnell Unmut und Protest.
many to many –
- Mitarbeiter und Abteilungen kommunizieren mit Geschäftspartnern, Kunden, Interessenten. Viele kommunizieren mit vielen. Auf den ersten Blick scheint Social Media dafür geeignet. Der so oft berufene Kontrollverlust, auch ein Social Media Mythos, ist nicht das Problem. Diese Art von Kommunikaton läuft in von gleichen Interessen gesteuerten Gruppen sogar sehr gut, wird aber mit wachsender Teilnehmerzahl problematisch. Ein von einem Einzelnen zu überschauendes Netzwerk umfasst nur eine beschränkte Zahl von Kontakten. Ein Anhaltspunkt kann vielleicht die von Robin Dunbar ermittelte Zahl von circa 150 Personen sein. Auf jeden Fall kommt many to many spätestens dann an seine Grenzen, wenn immer mehr Ressourcen bereitgestellt werden müssen um den Dialog weiterzuführen. Dazu kommen eventuell fehlende soziale Kompetenz (der man durch Schulung begegnen kann) und rechtliche Probleme. – Wie verbindlich sind Aussagen der Mitarbeiter? – Als Beispiel einer Gratwanderung kann das Twitter-Projekt „Telekom hilft“ dienen. Hier hat man den Fallschirm gleich mit eingebaut und zunächst eine Testphase von 6 Monaten angekündigt.
many to one –
- Tausende von Leuten haben Fragen an eine Person oder an ein Unternehmen. Das ist eine Situation, die sich heute durch Technologie und Software beherrschen läßt und zu guten Resultaten führt. Dabei geht man davon aus, daß 90% die gleichen oder ähnliche Fragen haben. Die wichtigsten gilt es herauszufiltern und zu beantworten. Der Social Media Ansatz hierbei ist, die Fragesteller selbst aktiv an der Priorisierung zu beteiligen. Das Bundeskanzleramt nutzt für „Kanzlerin direkt“ das Tool „Direkt zur Kanzlerin„. Auch in Unternehmen wie bei der Wüstenrot & Württembergische-Gruppe werden es in der internen Kommunikation eingesetzt nach dem Motto: „Direkt zum CEO“.
In welcher Kommunikations-Situation stehen wir? Können wir das? Was bringt uns das? Diese Fragen sollte sich das Unternehmen stellen.
Kolb faßte die Faktoren für den Erfolg von Social Media Strategien zusammen:
- die angewandten Technologien müssen einfach und intuitiv sein
- rechtliche und soziale Kompetenz muß bei den Beteiligten vorhanden sein
- die ökonomische Seite muß geklärt sein
Er warnte vor Blau-Äugigkeit: auf die Dauer werde niemand seine Zeit auf sozialen Plattformen verschwenden, nur um dabei zu sein.
Das ist genau der Punkt, den wir auch in unseren Internet und Social Media Seminaren für Winzer, Weingüter und Weinhandel herausstellen: Chancen und Möglichkeiten prüfen und sie auf ihren Wert fürs Unternehmen abklopfen. Nicht einfach losmachen – eine gute Strategie ist das A und O.
26. August 2010 um 11:34
Schöne Zusammenafassung der möglichen Kommunikationfäden im Social Web…
Die Frage nach der Relevanz und Resourcen ist ein valides Thema, welches wir (Heike Bedrich und ich) hier mal zusammengefasst haben…
http://www.thestrategyweb.com/die-3-saeulen-strategie-erst-marke-dann-mensch-oder-andersrum
26. August 2010 um 12:30
Hallo Martin,
in eurem Artikel gefällt mir der Gedanke von der „Vermenschlichung der Marke“ gut. Da sind wir beim Thema Ressourcen. Habe ich die Leute? Kann ich sie entsprechend trainieren?
Vorher sollte man aber überlegen, ob meine Marke eine Kommunikation in dieser Form überhaupt verträgt.
2. September 2010 um 01:20
Vielen Dank für das Feedback und den Post!
2. September 2010 um 11:08
Danke für den link! Ich bin schon ein paar mal auf die Veranstaltung in Berlin angesprochen worden: es scheint, daß in den Unternehmen noch viel (Auf)Klärungsbedarf ist.
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