Zwei Stunden vor dem Essen sind viel zu wenig – die französische Fachzeitschrift Revue de Vin de France (RVF) hat in ihrer Mai-Ausgabe getestet, wie unterschiedliche Rotwein-Weintypen auf eine kürzere oder längere Belüftungszeit reagieren. Das Ergebnis: vier von fünf Weinen waren erst nach zwei Tagen wirklich „da“. Das ist nicht unbedingt neu – es wäre aber gut, wenn diese Tatsache bei Weinwettbewerben und -Besprechungen berücksichtigt würde. Oft werden die Weine aufgezogen und kommen kurze Zeit später ins Glas – dabei würde man ihnen viel besser gerecht, wenn man sie noch einmal im Abstand von ein bis zwei Tagen probierte.
Für einige Weine kann das tödlich sein: ein Gevrey-Chamrbertin 2008 von Boisset präsentierte sich beim RVF Test wenige Minuten nach dem Öffnen total verschlossen -„im Wein war nur wenig von der Magie des Terroirs zu spüren“. Noch schlimmer war es nach zwei Stunden in der Karaffe: die Nase ist weg und auch im Mund nur noch Säure und Tannine. Zwei Tage später: der Wein hat sich wieder geöffnet, er ist jetzt wesentlich harmonischer und man kann nachvollziehen, was Pinot Noir Fans in Verzückung versetzt.
Interessant: fast das gleiche Ergebnis für einen Clos de l`Oratoire Châteuneuf des Papes 2008. Auch hier bereitete der Wein nach zwei Tagen die meiste Freunde. A éviter – unbedingt vermeiden : am schlechtesten präsentieren sich die meisten Weine nach zwei Stunden in der Karaffe, fanden die RVF Experten heraus. Ein wichtiger Tipp, denn oft wird genau das praktiziert. Man muss sich also viel früher Gedanken machen, welchen Wein man für ein schönes Essen aus dem Keller holt…
Die Erfahrungen der RVF Autoren konnten wir die Tage bei unserer Exkursion in den Süden nachvollziehen. Beim Abendessen probierten wir einen La Muntada 2007 von Gauby und einen Charles Dupuy Maury Vintage von Mas Amiel ebenfalls von 2007 – direkt nach dem Öffnen viel Frucht und fast jugendliche Frische – der Einsatz eines kleinen Turbo-Belüfters machte die Weine platt, eindeutig ein Fehler. Aus anderen Verkostungen weiss ich, was die Weine bringen können, wenn man ihnen genug Zeit läßt. Besonders interessant ist das auch für den Maury. Wer also zu früh oder falsch zu Werke geht, bekommt wohl bei vielen Weinen entweder nichts oder bestenfalls nur eine Dimension ins Glas.
Das Ganze hat natürlich eine sehr persönliche Seite – wem was an einem Wein gefällt, ist unterschiedlich. Ausgeprägte Frucht, Struktur oder subtile Harmonie und Fülle – das ist Geschmackssache. Und: jeder Wein reagiert anders – da sollte man besser vorher testen. Bei großen Weinen ist das eine Geldfrage. Das Ergebnis des RVF Tests ist für mich: über alte Gewohnheiten nachdenken und einfach mal was anderes ausprobieren.
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5. Juni 2012 um 09:57
Interessant – und bestätigt meine (Genuss-) Erfahrung, wenn ich einen Wein über mehrere Tage trinke.
Wie ist das nun gemeint, d. h. wie gehe ich z. B. am besten mit einem guten, noch relativ jungen Rotwein vor, wenn ich eine Verkostung mache: Öffne ich den Wein 2 Tage vorher und lasse ihn (im möglichst geruchsfreien Raum) offen stehen? Entnehme ich einen Schluck, damit er etwas Luft zieht? Oder fülle ich ihn gar 2 Tage vorher in eine Karaffe (mit/ohne Verschluss)?
Beste Grüße aus Köln
Christoph Landwehrs
5. Juni 2012 um 21:20
Die RVF Leute haben den Wein karraffiert und ihn dann zwei Tage stehen lassen …ich denke mit Verschluss, damit keine fremden Gerüche daran kommen.